21.04.2008 (sts)
Die deutschen Meisterschaften im Goalball haben am Samstag (19. April) in Marburg stattgefunden. Die Mannschaft aus Königs Wusterhausen bei Berlin errang dabei den Titel. Die Spielgemeinschaft Marburg/Frankfurt belegte den vierten Platz.
Doch was ist
Goalball eigentlich? Die Sportart gibt es bereits seit 60 Jahren. Seit 1976 ist sie fester Bestandteil im Programm der Paralympics. Ursprünglich war sie zur körperlichen Betätigung von kriegsblinden Veteranen in Österreich entwickelt worden.
Bei offiziellen Wettkämpfen darf kein Spieler mehr als zehn Prozent Sehkraft besitzen. Zur Chancengleichheit müssen aber ohnehin alle eine lichtundurchlässige Brille tragen.
Ziel des Spiels ist es, den Ball ins Tor der gegnerischen Mannschaft zu rollen. Die Spieler sitzen einander gegenüber und können sich anhand von Markierungen auf dem Boden und an den Toren auf dem Spielfeld orientieren.
Zur Abwehr des 1,25 Kilogramm schweren Klingel-Balls sind sie allein auf ihr Gehör angewiesen. Dabei sind Konzentration und Reaktionsschnelligkeit, aber auch Taktik und Spielwitz gefragt.
In Deutschland gibt es derzeit 75 aktive Spieler. Goalball erfüllt damit hinlänglich die Eigenschaften einer lupenreinen Rand-Sportart.
Der immer populärer werdende Blinden-Fußball droht, der Traditions-Sportart Goalball dabei zunehmend den Rang abzulaufen. Noch härter trifft die Sportart aber ein strukturelles Problem: In den Landes-Blindenschulen werden verstärkt mehrfach behinderte Schüler aufgenommen, die aufgrund ihrer physischen Beeinträchtigungen nicht in der Lage sind, Goalball zu spielen.
Ausschließlich sehbehinderte Kinder gehen heute meist auf "normale" Schulen. Prinzipiell ist das eine begrüßenswerte Entwicklung, doch ist sie für die Nachwuchsförderung problematisch.
"Die Kinder und Jugendlichen kennen Goalball nicht, und wir haben keine Möglichkeit, ihnen diesen Sport näher zu bringen", beklagte Frauen-Bundestrainer Thomas Burgheim.
Mitte April fanden in Marburg die Deutschen Goalball-Meisterschaften statt. Gleichzeitig war diese Veranstaltung das letzte große Turnier vor den Paralympics in Peking.
Das Ziel der deutschen Frauen-Nationalmannschaft ist eine Medaille. Die deutschen Männer haben die Qualifikation für das Endturnier hingegen verpasst.
"Bronze wäre ein Traum. Aber zwischen Platz Eins und Acht ist alles drin", sagte Nationalspielerin Christiane Möller. Die Marburgerin freut sich gemeinsam mit ihren Kolleginnen auf die Spiele in China: "Ich war auch schon in Athen dabei, wo wir Sechste geworden sind. Dieses Mal wollen wir aber mehr. Wir haben richtig Bock drauf."
Dabei sind die Vorbereitungsmöglichkeiten für das Nationalteam alles andere als optimal. Im Gegensatz zu Finnland, Belgien, Kanada oder den USA gibt es in Deutschland kein Liga-System, ja nicht einmal eine eigens für die Frauen ausgerichtete deutsche Meisterschaft. In Marburg spielten die Nationalspielerinnen in gemischten Teams mit den Männern.
Für Bundestrainer Thomas Burgheim ist das keine leichte Situation: "Die chinesische Nationalmannschaft trainiert seit Jahren tagtäglich zusammen. Ich bin schon froh, dass ich meine Spielerinnen einmal im Monat zusammenrufen kann."
Wie in vielen anderen Sportarten, betreiben die Olympia-Gastgeber auch im Goalball einen gigantischen Aufwand, um am Ende die Goldmedaille im eigenen Land zu behalten. "Jahrelang hatten die Chinesen überhaupt keine Mannschaft. Bei der Weltmeisterschaft 2006 in den USA holten sie dann gleich die Silbermedaille", berichtete Burgheim. Dabei besiegten sie im Viertelfinale die deutsche Mannschaft.
"Mit den Chinesinnen haben wir noch eine Rechnung offen", gab sich Christiane Möller kampfeslustig.
Stephan Sonntag
Text 478 groß anzeigenwww.marburgnews.de