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Mobbing im Pflegedienst


Familienfeindliche Betriebsführung gerügt

11.01.2008 (sts)
„Man kann sich des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass die Arbeitnehmerin schikaniert werden soll“, sagte Arbeitsgerichtsdirektor Hans-Gottlob Rühle in seiner Urteilsbegründung. Tatsächlich hat die 28-jährige Altenpflegerin im vergangenen halben Jahr bereits drei Mal gegen ihren Arbeitgeber, das Senioren-Zentrum Dautphetal, vor Gericht ziehen müssen. Am Freitag (11. Januar) wurde der jungen Mutter nun ein Urlaubsanspruch gewährt, bevor sie in die dreijährige Elternzeit geht.
Die Querelen begannen schon im März 2007 mit der Schwangerschaft der seit 2001 in Dautphetal tätigen Frau. Ihre Ärztin sprach ihr ein Berufsverbot für die Zeit der Schwangerschaft aus, da sie nicht schwer heben dürfe und außerdem ein hohes Infektionsrisiko bei ihrer täglichen Arbeit bestehe. Geschäftsführer Manfred Reusing hatte ihr daraufhin am 10. August 2007 gekündigt.
Da eine Kündigung unter Mutterschaft aber grundsätzlich nicht zulässig ist, erklärte das Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam. Nach wie vor anhängig ist eine Klage der Mitarbeiterin auf Auszahlung ihres Lohns für die Monate September und Oktober 2007.
Im aktuellen Fall nun hatte die Altenpflegerin ihren Antrag auf Elternzeit verspätet eingereicht. Reusing forderte sie daher auf, in der Zeit von Donnerstag (10. Januar) bis Dienstag (22. Januar) zur Arbeit zu erscheinen, da er ihr Elternzeit erst ab Mittwoch (23. Januar) bewilligen könne.
Die junge Mutter beantragte daraufhin Erholungsurlaub für den betreffenden Zeitraum, da sie keine Möglichkeit habe, ihren Säugling anderweitig betreuen zu lassen. Das wiederum lehnte der Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen ab, da derzeit durch Urlaub und Krankheitsfälle bereits eine Unterbesetzung im Pflegebereich zu verzeichnen sei.
Zudem gehe es ums Prinzip. Nicht jeder Mitarbeiter könne machen, was er wolle, erklärte Rechtsanwalt Hans-Ulrich Ostrowitzki für den im Urlaub befindlichen Geschäftsführer Reusing.
Dieser Auffassung folgte das Arbeitsgericht allerdings nicht. Die Klägerin habe einen berechtigten Urlaubsanspruch und daher sei ihr auch Urlaub für den betreffenden Zeitraum zu gewähren.
In einem Unternehmen mit 40 Mitarbeitern könne nicht von einer Unter-Deckung die Rede sein, wenn lediglich zwei Mitarbeiter ausfielen. Die Häufung von Rechtsstreitigkeiten deute "womöglich daraufhin, dass die Mitarbeiterin unerwünscht" sei, vermutete Rühle. Es sei jedoch erklärter politischer Wille, dass sich die Betriebe kinder- und familienfreundlich zu verhalten hätten.
"Dieser Prozess hat gezeigt, wie es in der Praxis nicht laufen soll“, sagte Rühle abschließend.
Stephan Sonntag
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