03.10.2010 (jnl)
Die herausragende Schauspieler-Leistung machte Janosch-Theater nicht nur für Vorschulkinder zu einem Erlebnis. Die Premiere von "Der Mäusesheriff" in der Bühnenfassung von Lena Kammermeier am Samstag (2. Oktober) im Theater am Schwanhof begeisterte.
Nur zwei Schauspieler genügten, um eine packende, turbulente Handlung auf der Bühne des kleinen "Black Box"-Saals lebendig werden zu lassen. Das Bühnenbild bestand aus einer Stehleiter, einem halbhohen Schrank und einer Projektionsleinwand, die die erzählten Geschichten mit Zeichentrick-Figuren unterstützte.
In die beschauliche Mäuse-Dorfgemeinschaft von Katzelbach kommt ein Neuankömmling. Der Kerl trägt einen Stetson und Cowboystiefel und behauptet, der große Westernheld Jippi Brown aus Texas zu sein. Über seine Abenteuer kann er tolle Geschichten erzählen. Die Katzelbacher lieben diese Lügengeschichten und wollen immer mehr davon hören.
Die junge Mäusin Magdalene ist seine enthusiastischste Zuhörerin und zugleich die Erzählerin der gesamten Geschichte. Auch sie ist eine Zugezogene und fühlt sich in der Dorfgemeinde noch nicht richtig dazugehörend. Sie erwischt Jippi beim Lügen und kommt ihm drauf, dass er in Wirklichkeit der Josef Braun aus dem gleichen Dorf wie sie selbst ist. Am Ende heiraten die beiden.
Oda Zuschneid verkörperte nicht nur die Magdalene sondern noch ein halbes Dutzend weiterer Figuren aus dem Dorf und aus der Western-Phantasiewelt. Wie ein Wirbelwind schlüpfte sie von einer Rolle in die nächste. Mal war sie mit offenem Mund lauschende Zuhörerin, im nächsten Moment reitende Indianerin mit Kriegsgeheul und dann wieder eine flinke Barkeeperin zu passender Musik.
Immer wenn sie Jippi mit einem falschen Wort ertappte - etwa "Pippi Flippi" statt Mississippi-Fluss - streckte sie den rechten Zeigefinger in die Höhe und korrigierte den Fehler in der Rolle von Bartholomäus Mäusevater. Es versteht sich, dass sie dabei langsamer sprach und eine bedächtige Art des Gehens zeigte, wie es sich für ältere Leute geziemt.
Ihr Bühnenpartner Johannes Hubert als Jippi Brown rückte nur beim Schildern seiner Lügen-Abenteuer in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Mit sonorer Stimme erwies er sich als geschickter Geschichtenerzähler und Angeber, dem das nicht nur das kindliche Publikum an den Lippen hing.
"Jippi" Hubert stolzierte in perfekt einstudierter Cowboy-Gehmanier über die Bühne und zeigte eine solide, makellose Leistung. Mit der Regie-Idee, dass Jippi beim Erklettern der Stehleiter sich als ein wenig unbeholfen und ängstlich zeigte, machte er die Figur umso glaubwürdiger und sympathischer.
Mit dieser Ensembleproduktion des Janosch-Kinderbuchs "Der Mäusesheriff" hat das "Junge Theater" des Hessischen Landestheaters Marburg ein überaus attraktives Debüt geboten. Die kleinen wie großen Zuschauer werden weniger das Thema "Lügen haben kurze Beine" als "Mit Geschichtenerzählen kommt man groß heraus" daraus mitnehmen. Da irrte die Presse-Ankündigung des Stückes als einer Auseinandersetzung um kindliches "Lügen" und Intelligenzentwicklung.
Auch dürfte die Altersangabe "ab 4 Jahren" für manche Kinder dieses Alters nicht hinkommen. Ab einem Alter von fünf Jahren geeignet anzugeben, wäre da ehrlicher. Auch für Grundschulkinder könnte "Der Mäusesheriff" ein Volltreffer werden.
Die außerordentlich körperbetonte und mitreißende Schauspieler-Leistung von Oda Zuschneid wird dieser Inszenierung viele volle Aufführungen bescheren. Die Zuschauer der proppenvollen Premiere waren einhellig begeistert. Die Eröffnung der Kinder- und Jugendsparte "Junges Theater" des Hessischen Landestheaters Marburg gelang formidabel.
Jürgen Neitzel
Text 4564 groß anzeigenwww.marburgnews.de