17.04.2008 (sts)
"Ein Verstoß gegen das Kriegswaffen-Kontrollgesetz ist dem Angeklagten nicht nachzuweisen“, fasste Amtsrichter Mirko Schulte das Ergebnis der Beweisaufnahme zusammen. Am Donnerstag (17. April) wurde vor dem Amtsgericht Marburg der Prozess gegen einen Chemiker aus dem Ebsdorfergrund fortgesetzt, der eine kriegswaffen-fähige Anlage nach Pakistan geliefert haben soll. Die Befragung dreier weiterer Zeugen lieferte dabei keine neuen Anhaltspunkte.
Der 60-jährige selbständige Unternehmer hatte im November 2003 eine so genannte "Alpha-Gamma-Spektrometrie-Anlage" nach Pakistan verkauft. Mit derartigen Anlagen können atomare Strahlungen gemessen werden.
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft könne dieses Gerät sowohl für zivile, als auch für militärische Zwecke genutzt werden. Nach der bisherigen Beweisaufnahme kam das Gericht jedoch zu der Einschätzung, dass "die Eignung des Geräts zur militärischen Nutzung deutlich relativiert werden" müsse, wie Schulte sagte. Es entspreche nicht dem neuesten Stand der Technik. Die Messmethoden seien zu zeitaufwendig und die Messergebnisse für die spezielle militärische Nutzung zu ungenau.
Das ergebe sich aus den Einlassungen des Angeklagten, der als "Sachverständiger in eigener Sache" zu gelten habe und aus den Aussagen der drei Sachverständigen am ersten Prozesstag.
Am zweiten Verhandlungstag wurden zunächst zwei Mitarbeiter des Angeklagten als Zeugen vernommen. Die Ungeeignetheit der Geräte für den Atomwaffen-Bau schilderte ein als Software-Experte tätiger 44-jähriger Physiker dem Gericht anhand eines Beispiels: "Sie würden doch auch nicht versuchen, die Entfernung von Marburg nach Kassel mit einem Zollstock zu messen.“
Er betonte, dass "geradlinige Geschäfte zum Selbstbildnis seines Chefs zählen". Das bestätigte auch die für die Buchhaltung zuständige 48-jährige kaufmännische Angestellte.
Als dritter Zeuge wurde ein Professor für Chemie an der Technischen Universität Darmstadt vernommen. Der 51-Jährige hatte im fraglichen Zeitraum in telefonischem Kontakt mit dem Angeklagten gestanden. Über das Geschäft mit Pakistan wusste er aber nichts Näheres zu berichten.
Abschließend stellte der Angeklagte seinen persönlichen und wissenschaftlichen Werdegang vor. Er betonte seine jahrzehntelange Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) und sein Engagement zur friedlichen Nutzung der Atomenergie.
"Mein Einsatz gegen Atomwaffen ist durch die mir gemachten Vorwürfe ins Gegenteil verkehrt worden. Mein Glaube an die behördlichen Institutionen in Deutschland ist erschüttert“, führte er aus.
Sowohl seine geschäftliche, als auch seine private Existenz seien durch die Beschuldigungen bedroht. Der Umsatz seines Unternehmens sei seit 2004 um 50 Prozent eingebrochen. Allein den materiellen Schaden bezifferte er auf 560 000 Euro.
Dem Angeklagten drohe nunmehr nur noch eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz, da er die Lieferung der Anlage nicht vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) genehmigen ließ, stellte Schulte fest. Statt einer Haftstrafe von ein bis fünf Jahren käme auf den Angeklagten dann höchstens ein Bußgeld zu.
Das Urteil wird am Freitag (25. April) ab 9 Uhr im Amtsgericht verkündet.
Stephan Sonntag
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