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Im Visier


Experten diskutierten Streitfragen

01.10.2010 (mhe)
Die Themen zu Zielen der Synthetischen Biologie sowie ihre daraus resultierenden ethischen und politischen Fragen standen im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion. Hierzu hatte das Fachgebiet Sozialethik der Philipps-Universität Marburg am Dienstag (28.September) in die Aula der Marburger Alten Universität eingeladen. An die hundert Zuhörer verfolgten die Debatte, an der neben Vertretern des Marburger LOEWE-Zentrums für Synthetische Mikrobiologie auch das Mitglied des Deutschen Ethikrates und ehemaliger Staatssekretär im Bundesforschungsministerium Wolf-Michael Catenhusen teilnahm.
"Die Synthetische Biologie vollzieht einen Perspektivenwechsel, indem sie organische Gebilde planmäßig wie ein Ingenieur umbaut“, erläuterte der Biologe Prof. Dr. Michael Boelker zu Beginn. Die Synthetische Biologie sei ein Versuch, die Komplexität des Lebendigen auf eine Minimalzelle zu reduzieren.
Der Genetiker umriss das Ziel der neuen Forschungsrichtung. Dabei verglich er den "Top-down-Ansatz“ mit dem Bau von Autos, bei denen die Grundkonstruktion gleich bleibt und sich lediglich die Ausstattung ändere.
Der Physiker Prof. Dr. Bruno Eckhardt griff die genannten Stichworte auf und hob hervor, wie komplex lebende Systeme sind. Daher sei es mühsam, Zellen aus einfachsten Bausteinen zusammenzusetzen, befand der Geschäftsführende Direktor des LOEWE-Zentrums. Er skizzierte eine strategische Alternative: "Die Hoffnung ist es, durch den Umbau von Zellen neue Funktionalitäten zu erhalten, Aufgaben von einer Zelle auf eine andere zu übertragen und möglichst auch zu verbessern.“
Catenhusen lenkte die Aufmerksamkeit auf Sicherheitsfragen, die sich aus der gezielten Beeinflussung von Zellen ergeben. Der Forschungspolitiker erinnerte an die Entwicklung der Chemie, in der man die unerwünschten Wirkungen neuartiger Stoffe oft erst nach Jahrzehnten erkannt habe.
Da man die entstehenden Risiken nur im Labor beherrschen könne, sei es nicht vorstellbar, außerhalb von Sicherheitssystemen zu arbeiten. Die Politik müsse die wissenschaftlichen Fortschritte begleiten, um im Ernstfall die Notbremse zu ziehen.
Chancen und Risiken der Synthetischen Biologie standen auch im Mittelpunkt der Überlegungen, die der evangelische Theologe und Sozialethiker Prof. Dr. Peter Dabrock vortrug. Er mahnte an, auf die Erwartungen der Öffentlichkeit einzugehen:
"Ich traue der Synthetischen Biologie vieles zu und möchte nicht, dass man die Hoffnungen so weit überdehnt, bis sie enttäuscht werden.“ Die Sozialethik habe daher sowohl Allmachtsphantasien der neuen Forschungsrichtung wie deren Skandalisierung zu hinterfragen. "Ich halte eine Entdramatisierung der Debatte für erforderlich.“, ergänzte Dabrock.
Die Wortbeiträge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Podium regten das Publikum zu zahlreichen engagierten Wortmeldungen an. Sie galten unter anderem dem Problem der Komplexität und Sicherheitsfragen. So ergab sich beispielsweise eine Debatte darüber, ob man künftig für den planvollen Umbau von Organismen eher sogenannte ingenieurmäßige oder evolutionäre Prozesse nutzen werde.
"Die Synthetische Biologie ist eine Wissenschaft der Visionen“, resümierte Dabrock. Der Tatsache müsse man sich aber stellen.
Die Podiumsdiskussion fand im Rahmen einer internationalen Klausurwoche statt, die das Fachgebiet Sozialethik von Montag (27. September) bis Sonntag (3. Oktober) veranstaltet. Die mehrtägige Veranstaltung hatte das Motto "Was ist Leben im Zeitalter seiner technischen Machbarkeit?".
pm: Philipps-Universität Marburg
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