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Widerspenstig


Zum 25. Todestag von Wolfgang Abendroth

15.09.2010 (fjh)
Marburgs wissenschaftliche Nachkriegsgeschichte hat er geprägt wie kaum ein anderer. Sein Todestag jährt sich am Mittwoch (15. September) zum 25. Mal.
Nicht nur in seinen zahlreichen Schülern hat Prof. Dr. Wolfgang Walter Arnulf Abendroth Spuren hinterlassen. Der am 2. Mai 1906 in Elberfeld geborene Jurist gilt auch als Begründer der Politikwissenschaft.
Die von ihm geprägte "Marburger Schule" umfasst Hochschullehrer wie Prof. Dr. Reinhard Kühnl und Prof. Dr. Georg Fülberth. Aber auch die ehemaligen Schulleiter Dr. Friedrich-Martin Balzer und Dr. Raimer Wulff, der ehemalige städtische Pressesprecher Erhard Detmering oder der frühere hessische Ministerpräsident und spätere Bundesfinanzminister Hans Eichel sind Schüler des großen Humanisten und Sozialisten.
Schon früh war der Spross einer sozialdemokratischen Familie in der sozialistischen Jugendbewegung aktiv. Später trat er auch der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei. Nachdem die KPD ihn ausgeschlossen hatte, weil er den Kurs der KPD und die damit verbundene " Sozialfaschismus-Theorie“ kritisiert hatte, schloss er sich 1928 der Kommunistischen Partei-Opposition an.
Nach dem Abitur studierte Abendroth in Tübingen, Münster und Frankfurt Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft. Während der Nazi-Diktatur schloss er sich dem Widerstand gegen das Hitler-Regime an.
Das nationalsozialistische Regime unter Adolf Hitler verbot Abendroth eine weitere juristische Tätigkeit. Seit der Machtergreifung der Faschisten im Jahr 1933 war er in verschiedenen illegalen Organisationen aktiv. Gleichzeitig promovierte er summa cum laude mit einer völkerrechtlichen Dissertation an der Universität Bern. Seine 1936 veröffentlichte Dissertation wurde aber schon wenig später von der Geheimen Staatspolizei (GeStaPo) beschlagnahmt.
1937 wurde er von der GeStaPo verhaftet und von Oberlandesgericht Kassel wegen Hochverrats zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in Luckau absaß.
Nach seiner Entlassung im Juni 1941 zog Abendroth zu seinen Eltern nach Potsdam-Babelsberg. Anfang 1943 wurde er zu der berüchtigten Strafdivision 999 eingezogen.
Als Soldat auf der griechischen Insel Lemnos arbeitete er insgeheim mit dem griechischen Widerstand zusammen und desertierte 1944 zur griechischen Widerstandsorganisation ELAS.
1944 wurde er als britischer Kriegsgefangener nach Ägypten gebracht. In einem Gefangenenlager in der ägyptischen Wüste begann er mit politischer Schulungsarbeit. Damit wollte er für die Zeit nach der Niederlage des Faschismus Kader ausbilden und auf Verwaltungsaufgaben vorbereiten. Im Umerziehungslager "Wilton Park Training Centre" bereitete er später geeignet erscheinende Kriegsgefangene auf ihre Rückkehr nach Deutschland und die Mitarbeit am Aufbau der Demokratie Vor.
Wegen des stalinistischen Terrors trat Abendroth nun der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) bei. 1946 wurde er aus der Kriegsgefangenschaft entlassen.
Das immer noch fehlende Staatsexamen holte Abendroth nach Kriegsende in Potsdam nach. Tätigkeiten als Richter und Hochschullehrer in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) blieben indes nur Zwischenstationen.
Schon bald wandte der Sozialist sich vom dortigen System ab. Ende 1948 verließ er die SBZ und nahm eine Professur in Wilhelmshaven an Außerdem wurde er zum Mitglied des Staatsgerichtshofs des Landes Bremen ernannt.
Der Hessische Ministerpräsident Georg August Zinn verhalf seinem Weggefährten aus Studententagen zu einer Stellung in Marburg. Am 15. November 1950 erhielt Abendroth dort eine Professur für wissenschaftliche Politik an der Philosophischen Fakultät der Philipps-Universität. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1972 blieb er hier und prägte das politische und wissenschaftliche Leben. Der überzeugte Sozialist blieb auch politisch aktiv. Zusammen mit Ernst Bloch, Ossip K. Flechtheim und Erich Kästner war Abndroth Ende der sechziger Jahre Mitglied des Kuratoriums der Kampagne für Demokratie und Abrüstung – Ostermarsch. Außerdem setzte er sich für die Aufhebung des KPD-Verbots ein.
Der Politologe gilt als "Ziehvater" der 68er Bewegung und Nestor der westdeutschen Friedensbewegung. Schon früh hatte er die Herausbildung der Block-Konfrontation kritisert, ohne sich jedoch als Antikommunist vereinnahmen zu lassen.
Die Brücke über die Lahn unmittelbar vor der Mensa am Erlenring ist neuerdings nach ihm benannt. Doch die gebührende Ehrung durch die Universität lässt leider zu wünschen übrig. Anstatt ein Institut nach ihm zu benennen oder wenigstens seine politische Richtung freigeistiger sozialistischer Positionen fortzuführen, hat die Philipps-Universität erst kürzlich seinen Lehrstuhl abgeschafft.
Franz-Josef Hanke
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