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Vier Kanadier


Bluegrass-Quartett "Headwater" im Szenario

11.09.2010 (jnl)
Die Fans urwüchsiger Americana-Klänge bekamen am Samstag (11. September) im Szenario gleich zwei musikalische Leckerbissen serviert. Neben der vierköpfigen kanadischen Bluegrass-Band "Headwater" trat als Vorprogramm die Marburger Sängerin und Songschreiberin Lisa Marie Fischer auf.
Die mit einer exzellenten Stimme und waschecht US-amerikanisch klingenden Worten glänzende junge Songpoetin zeigte großes Talent. Die zierliche, hübsche 18-jährige Frau singt ausschließlich in englischer Sprache und überwiegend selbst geschriebene Songs.
In denen ist die Rede von Melancholie, Stolz und Trotz sowie von "Tagen voller Träume". Wie im originalen Country-Liedgut dreht sich fast alles um große wie kleine Gefühle, Beziehungen und Selbstbehauptung. Auch eine vorgetragene Cover-Version von Lucinda Williams passte da wunderbar.
In puncto Bühnenpräsenz und Stimmkraft war der 35-minütige Auftritt wirklich großartig. In ihren Zwischenansagen - auf Deutsch - verwies Fischer mit sympathischem Humor auf kleine Missgeschicke und Ängste. Mit dieser Selbstironie über Dinge, die einem auf der Bühne schiefgehen können, brachte sie die Lacher auf ihre Seite.
Allein ihr Können an den Instrumenten Bluesharp und Gitarre war noch durchaus ausbaufähig. Zumindest wenn sie tatsächlich Musik-Profi werden will, sollte sie mehr als simple Schrammelgitarren-Schlagtechniken zum Gesang hinzufügen. Es hieß, eine Musik-Agentur kümmere sich bereits um dieses Marburger Nachwuchs-Talent.
Gemeinsamer Nenner mit "Headwater" als dem Hauptact des Abends war die Vorliebe für amerikanische Traditionsmusik und für den Sänger-Songschreiber John Hiatt. Die seit 2001 bestehende Band aus dem westkanadischen Vancouver ist hierzulande noch ein nahezu unbekannter Geheimtipp.
Dabei hat sie bereits zwei Alben mit eigenem Songmaterial veröffentlicht. Derzeit ist sie auf einer achtwöchigen Europa-Tournee.
Bereits die ungewöhnliche Besetzung der Band, die ohne Perkussionisten auskommt und ausschließlich aus Saiteninstrumentalisten besteht, überrascht. Neben dem Kontrabassisten Patrick Metzger gehört der Bottleneck-Gitarrist Tim Tweedale dazu. Die beiden Songschreiber und Gründer der Combo sind Jonas Shandel mit dem Hauptinstrument Banjo und Matt Bryant an der Mandoline und Gitarre.
Außer dem - für filigran schwebende Klangzaubereien und Intros zuständigen - Steelgitarristen Tweedale verwöhnten die übrigen drei das Publikum mit sehr ansprechendem Harmoniegesang. Lakonisch kommentierte Shandel, dass sie solange vergeblich nach einem verlässlichen und guten Sänger gesucht hätten, bis sie diese Aufgabe selbst übernahmen. Angesichts der beträchtlichen Qualität ihres Gesangs mag man das kaum glauben.
Manch eine Überraschung boten alle vier als exzellente Könner auf ihren Instrumenten. Besonders Shandel am Banjo beeindruckte durch außergewöhnliche Spielweisen. Der von den Bluegrass-Folkmusikern rein akustisch erzeugte Sound war mitreissend, teilweise sogar tanzbar.
Als musikalisch richtig und wegweisend erwies sich die Entscheidung des Quartetts, sich im Szenario vor der Bühne auf Augenhöhe zum Publikum und ohne Verstärker rein akustisch zu präsentieren. Wer weiter hinten stehe und sie nicht hinreichend gut sehe, solle schlicht näher rankommen, empfahlen die Musiker. Vorne bei ihnen sei noch Platz. Nicht wenige folgten dieser Aufforderung.
Die Texte ihrer eigenen Stücke zeigten viel Melancholie und schwarzen Humor. "You'll be the death of me", "My Old Friend" und "Never coming back" lauteten einige der vielsagenden Titel über "Kleinstadt-Schufte" und "alte Freunde". Die beiden einzigen Cover-Versionen im Programm klangen recht eigenständig interpretiert.
Besondere Freude bereiteten die lustigen Ansagen von Jonas Shandel. Teils in erstaunlich gut beherrschter deutscher Sprache erzählte er Anekdoten aus der Bandgeschichte, von der Tournee und seinem platzenden Kopf beim Deutsch Lernen.
Er bedankte sich ausdrücklich beim Publikum dafür, dass es durch sein Kommen zu diesem Konzert eine wenig bekannte Independent-Band unterstütze. Die rund vierzig Leute im kleinen, feinen Szenario waren mit dem musikalisch Gebotenen ersichtlich hoch zufrieden. Mit sattem Beifall holten sie sich mehrere Zugaben.
Jürgen Neitzel
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