08.09.2010 (jnl)
Mit einer originellen Veranstaltungsidee mischt die Marburger SPD im kommunalen Vorwahlkampf mit. Ihre vierteilige Autorenlesungs-Reihe "Politik kriminell" startete am Dienstag (7. September) mit Lukas Erler.
Bedingt durch das nasskalte Wetter waren der Einladung in die
Waggonhalle nur rund 25 Krimi-Fans gefolgt. Die geringe Bekanntheit des Autors mag dabei auch eine Rolle gespielt haben.
Der seit 20 Jahren in Bad Wildungen lebende Soziologe und hauptberufliche Logopäde hat mit "Ölspur" sein Debüt als Krimiautor vorgelegt. In der Lesung erwies sich das Erstlingswerk als ein sehr gelungener, hoch spannender und realitätsnaher Kriminalroman.
Die Handlung führt den Leser in die wenig bekannte Welt des internationalen Erdölhandels und der Hochseeschifffahrt. Im Milieu der Öltanker-Unternehmer geht es offenbar höchst kriminell zu. Um die Gewinne möglichst hoch ausfallen zu lassen, werden die Umwelt- und Sicherheitsstandards der Tanker skrupellos gedrückt.
Als Romanhelden Thomas Nyström hat sich Erler einen in Bayern lebenden Halbschweden einfallen lassen. Dieser Mann wird über die Ermordung einer mit ihm befreundeten Hamburger Journalistin in die Geschichte hineingezogen.
Gemeinsam mit der Schwester der Toten findet er heraus, dass die Journalistin einem Umweltskandal auf der Spur gewesen war. Zur Vertuschung der Meeresverseuchung scheut das Tanker-Gangstertum nicht davor zurück, über Leichen zu gehen.
Um brisante schriftliche Belege über die Missetaten aus dem Verkehr zu ziehen, wird Nyströms Partnerin entführt. Er selbst hat ein Treffen mit einem zwielichtigen Juristen, der ihn mit einem Bargeldkoffer verlocken will, seine Trumpfkarten herauszugeben. Danach soll Nyström selber ums Leben gebracht werden.
Erler las mit sonorer, klarer Stimme Passagen aus dem Buch, die auf diesen Showdown im ländlichen Belgien hinausliefen. Die aus der Ich-Perspektive erzählte Handlung hatte Thriller-Qualitäten. Zugleich zeigte sie trockenen Humor.
Der Protagonist erwies sich als ein melancholischer Geistesverwandter Kurt Wallanders. Ganz anders als in herkömmlichen Kino- und Krimi-Klischees wurde die Benutzung von Schusswaffen nicht als lockere "James Bond-Übung" geschildert.
Der von drei Ex-Soldaten des Balkan-Bürgerkriegs als Gangster bedrängte Nyström tut sich unerwartet schwer mit dem Totschießen seiner Gegner. Das Verbluten eines Opfers rückte ungewöhnlich real in den Blick.
In der anschließenden Publikumsrunde beeilte sich Erler, zu erläutern, dass diese Schilderung nun zufällig die blutigste Szene des ganzen Romans gewesen sei. Glaubwürdig versicherte er, dass er ebenso wie sein Romanheld eher Gewalt abgewandt schreibe. Dass es immer noch Krimi-Kollegen gebe, die Geschichten mit Serienkillern bevorzugten, fand bei ihm keine Billigung.
Dass ausgerechnet eine "Landratte aus Nordhessen" über Umweltverbrechen auf den Weltmeeren schreibt, nahm Erler vergnügt auf. Das Thema sei glücklicherweise noch sehr unverbraucht. Der Autor plant, eine Trilogie daraus zu machen.
In dem Roman stecken mit längeren Unterbrechungen fünf Jahre Arbeit des Schreibens. Noch einmal zwei Jahre hat er gebraucht, den fertigen Roman mittels tüchtiger Literaturagenten bei einem Verlag unterzubringen. Der fertige zweite Roman wartet darauf, dass er angenommen wird.
Der freundliche, ruhige Ex-Marburger ermöglichte dem von seiner Lesung begeisterten Publikum tiefe Einblicke in die Gegenwart des Buch-Business. Wenn er das nächste Mal in Marburg liest, wird der Saal sicherlich voll werden.
Jürgen Neitzel
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