06.09.2010 (fjh)
Mit dem DVAG-Firmengründer Prof. Dr. Reinfried Pohl möchte Henning Köster bei der Bürgerversammlung am Mittwoch (8. September) über die Vorhaben der
Deutschen Vermögensberatung (DVAG) im Marburger Nordviertel diskutieren. Den Magistrat der
Stadt Marburg forderte der Linken-Politiker in einem Offenen Brief an Oberbürgermeister Egon Vaupel auf, Pohl zu dieser Veranstaltung einzuladen.
"Warum erfolgt diese längst fällige Informationsveranstaltung erst zu einem Zeitpunkt , zu dem längst in jeder Hinsicht Fakten geschaffen sind , indem das Vorhaben in den städtischen Gremien durchgewunken, ein denkmalgeschütztes Haus abgerissen , an der Großbaustelle mit Hochdruck gearbeitet wird?" Neben der Antwort auf diese Frage will Köster wissen, wann der Oberbürgermeister zuletzt "das Gespräch mit den Anwohnern und den Bewohnern der von den Umstrukturierungen betroffenen benachbarten Vierteln ( Waldtal, Afföller, Ortenberg usw.) und den entsprechenden Stadtteilgemeinden gesucht" hat.
Die gewachsene Geschäftsstruktur droht nach Kösters Einschätzung zugunsten eines Angebots sehr hoher Preisstufen wegzubrechen. Im Vorfeld des Projekts habe der Magistrat die Bürgerbeteiligung in den Projektgruppen Nordviertel auslaufen lassen, ohne sie angesichts der gravierenden Umstrukturierungen wieder aufzunehmen.
"Wie viele bekanntlich dem Gemeinwohl verpflichtete Mitarbeiter in den zuständigen städtischen Planungs- und Aufsichtsbehörden stehen eigentlich noch bereit, dem - ein reines Individualinteresse dienenden - großen Investitionsapparat des Herrn Pohl bei der Ausführung seines Großprojekts auf die Finger zu gucken? An welchen Stellen, wenn überhaupt wurde einmal den Investitionsplänen Pohls Grenzen baurechtlicher, stadtentwicklungspolitischer oder verkehrspolitischer Art aufgezeigt", möchte Köster weiter wissen.
Außerdem fragt er nach der Rechtfertigung dafür, dass einerseits Lahnufer-Bereiche mit Hilfe von Parkraum-Verlegungen renaturiert wurden, andererseits Pohl aber in unmittelbarer Lahnufernähe der Neubau einer Privatstraße genehmigt wurde. Zudem fragt Köster nach einem Konzept zur Bewältigung des mit den Bauten und den geplanten Großparkflächen zusätzlich in dieses - bereits jetzt durch Emissionen besonders geplagte - Viertel gelockten Individualverkehrs.
"Wie verträgt sich diese Entwicklung mit dem bereits '99 verabschiedeten Konzept zur Bahnhofsumgestaltung und damit Verkehrsberuhigung? Trifft es zu, dass durch die geplante Tiefgarage das bereits jetzt von Anfang an fast leere Parkhaus in der Rosenstraße weitgehend überflüssig wird? Welche zusätzlichen Parkflächen in Bahnhofsnähe sind noch geplant oder angedacht?"
Darüber hinaus möchte der Kommunalpolitiker wissen, wann eine Verkehrskonzeption für das Nordviertel öffentlich gemacht und diskutiert werden soll. Kösters Fragenkatalog gipfelt in der Infragestellung von Vaupels Souveränität als Oberbürgermeister: "Sind Sie als demokratisch gewählter Repräsentant der Gesamtbürgerschaft überhaupt noch Herr des Verfahrens oder kann ein Herr Pohl als überaus einflussreicher Großinvestor in Marburg mehr oder weniger machen, was er will?"
Es dürfe nicht sein, dass sich bei vielen Bürgern der Eindruck verfestigt, in Marburg könne das ganz große Geld allein die Zukunft eines ganzen Stadtviertels prägen, ohne dass sie Einfluss nehmen können. Eein Milliardär dürfe nicht die gewachsenen gastronomischen und kaufmännischen Strukturen zerstören oder bedrohen, indem er "mit Hilfe von Vita nach Gutdünken auch in diese Bereiche einsteigt". Keineswegs sei es "nur löblich, dass die Familie Pohl mit Spendierhosen in einem Ausmaß freiwillige Leistungen in Form von Spenden streut, dass man wohlmöglich bald von Elementen eines Schattenhaushalts parallel zu dem, den die VolksvertreterInnen erarbeitet haben, reden muss".
Der Magistrat der Universitätsstadt Marburg sollte nicht für 13 Millionen Euro Gewerbesteuer seine Planungshoheit über ein ganzes Stadtviertel verkaufen. Das wäre schädlich für das Ansehen der Demokratie.
Es sei "höchste Zeit, dass auch in Marburg eine grundsätzliche, offene und kontroverse Debatte über den Umgang mit Einkommensmilliardären und konkret die Rolle von Dr. Pohl und der DVAG in der Marburger Kommunalpolitik eröffnet wird". Deshalb forderte Köster den Oberbürgermeister auf, Pohl oder einen seiner Söhne persönlich zu der Bürgerversammlung einzuladen. Alle interessierten Marburger hätten "ein Recht darauf, diejenigen, die ihre Stadt so gravierend umpo(h)len, direkt kennenzulernen, zu befragen und zu kritisieren".
pm: Henning Köster
Text 4434 groß anzeigenwww.marburgnews.de