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Beim Rückwärtssitzen


Unterhaltsame Musiksatire in der Waggonhalle

25.08.2010 (mhe)
Erstaunlich ist, wie wenig Equipment man braucht, um die Aufmerksamkeit seines Publikums einen ganzen Abend lang auf sich zu lenken. Armin Fischer benötigte für sein satirisches Musikprogramm "Einmal Klassik und zurück kaum mehr als ein Klavier. Im Rahmen des ZAC-Sommervarietés 2010 brachte er dieses Instrument am Dienstag (24. August) bereits zum dritten Mal mit in die Waggonhalle.
Doch wird diese Kurzbeschreibung noch längst nicht dem gerecht, was sich dort auf der Bühne im wahrsten Sinne des Wortes abspielte. Fischer machte mit den weit über 100 Zuschauerinnen und Zuschauern einen Streifzug durch sein bisheriges Pianisten-Leben. Dabei verknüpfte er angeblich persönliche biografische Anekdoten humorvoll mit einer Präsentation unterschiedlicher Stücke seines exzellenten musikalischen Könnens.
Fischer stapelt auf amüsante Weise hoch, wenn er davon berichtet, dass ihn sein Vater nach seinem ersten Konzert im Elternhaus früh ins Bett schickte, weil er doch am nächsten Tag in den Kindergarten müsse. Er wolle aber auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass er ein Wunderkind gewesen sei. Dennoch sei nicht von der Hand zu weisen, dass er mit sieben Jahren schon ein Stück von Wolfgang Amadeus Mozart spielen konnte, was der Komponist selbst im gleichen Alter noch nicht gekonnt habe.
Ganz der Bescheidene, ergänzte Fischer, dass er sich das Klavierspielen zunächst zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr selbst angeeignet habe. Bedauerlicherweise habe eine fehlende pädagogische Unterstützung eine falsche Haltung zur Musik bewirkt, bemerkte Fischer zweideutig. In seinem persönlichen Fall habe sich das so ausgewirkt, dass er - rückwärts zum Klavier gewandt - mit verrenkten Armen und Händen die Tasten bediente.
Möglichen Zweifeln begegnete Fischer mit der Aufforderung, ihm spontan einen Titel zuzurufen. Den daraufhin gewünschten "Kleinen grüne Kaktus“ von den Comedian Harmonists meisterte Fischer in dieser ungewohnten Körperhaltung virtuos.
Bewundert hat Fischer nach eigenen Angaben seinen ersten Klavierlehrer, der als Musik-Professor ein wahrer Gott am Klavier gewesen sei. Er habe zwar die Ambition gehabt, ein genauso begnadeter Klavierspieler zu werden; als ihn sein Lehrer aber ermahnte, dafür fleißig zu üben, sei seine Begeisterung schnell verflogen.
Fischer befürchtete nämlich, dass er sich durch übermäßiges Üben überqualifizieren könne. Außerdem habe er sich vor der Einsamkeit durch den möglichen Erfolg gefürchtet. "Isolation durch Qualifikation" kam deshalb für ihn nicht in Frage, weil er naturgemäß ein sehr geselliger Mensch sei.
Da er als Pianist auch in der Welt herumkommen wollte, sei ihm auch das Reisen immer sehr wichtig gewesen. Fischer erklärte, dass er mit dem - an diesem Abend immer wieder auftauchenden - Stück "As time goes by“ aus dem Kino-Klassiker "Casablanca“ auf Welt-Tournee gegangen sei. Er habe diese Zeit als Bar-Pianist auf einem Kreuzfahrtschiff sehr genossen.
Die unmöglichen Arbeitszeiten bis tief in die Nacht habe er vermeiden wollen, erzählte Fischer zu den Klängen der "Morgenstimmung“ von Edvard Grieg. So bewarb er sich als Klavierspieler für die Nordland-Route, die während der Mitsommernachtszeit abgefahren wird. Ärgerlich sei nur gewesen, dass er vertraglich verpflichtet gewesen sei, so lange Klavier zu spielen, bis es dunkel wird. Das dauerte ganze 24 Stunden!
Irgendwann sei für ihn aber die Frage aufgetaucht, warum er sich so intensiv mit dem Klavier beschäftigt. Laut eigener Aussage habe er die Antwort in den Textzeilen eines Liedes von Johannes Heesters gefunden: "Man müsste Klavier spielen können. Wer Klavier spielen kann, hat Glück bei den Fraun“, immitierte Fischer authentisch Heesters näselnder Art.
In aufwendigen Feldstudien zu den Musik-Vorlieben der Damenwelt sei er schlußendlich bei dem Stück "Liebestraum“ von Franz Liszt gelandet. "Liebestraum" sei ein schweres Stück, was er leichter geträumt hätte, sagte Fischer schmunzelnd und trug darauf hin die Melodie mit einer unglaublich präzisen Leichtigkeit vor. Da die damals Auserwählte aber nicht hin und weg, sondern plötzlich einfach weg war, habe dieses pianistische Experiment perspektivisch keine Zukunft geboten.
Romantisch blieb Fischer auch bei seiner Interpretation der "Regentropfen-Prélude" von Frédéric Chopin. Der französische Komponist habe das Werk wegen akuten Papiermangels auf einem weißen Regenschirm verewigt. Zufälligerweise sei er - Fischer - stolzer Besitzer des "Originale umbrella from Frédéric Chopin“.
Er kramte einen mit Noten beschrifteten Schirm hervor und spannte ihn auf. Mit der linken Hand die "regentropfen-Prélude“ spielend, hielt Fischer in der rechten Hand den Regenschirm und verfolgte mit einem verträumten Blick nach oben dem angeblichen Notenverlauf.
Ein besonderer Höhepunkt des Abends leitete auch gleichzeitig den Schlußteil ein. In der Tradition von Franz Liszt, der am Ende seiner Aufführungen immer Wunschstücke seiner Zuhörerinnen und Zuhörer erfüllt habe, sammelte auch Fischer nochmals Vorschläge aus dem Zuschauerraum. Nachdem er die ungefähr acht Stücke aus einem breiten Spektrum von Klassik bis Jazz in einem scheinbar hochkomplizierten Verfahren feierlich im Kopf sortiert und arrangiert hatte, folgte aus dem Stehgreif eine beeindruckende Darbietung.
Insgesamt bestach das Programm von Fischer insbesondere durch eine faszinierend gut abgestimmte Mischung seiner Klavierkünste in Kombination mit einer enormen Verdichtung unzähliger satirischer Beiträge. Die zweieinhalb Stunden andauernde Veranstaltung war deshalb nicht nur ein Schmaus für die Ohren, sondern auch eine echte Herausforderung für jedes Zwerchfell.
Mireille Henne
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