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Unvergessen


Kätes Kampf für Soziale Gerechtigkeit

21.08.2010 (fjh)
"Die Frucht der Gerechtigkeit ist der Baum des Lebens." Mit diesem Bibelzitat würdigte Pfarrer Ulrich Kling-Böhm die Lebensleistung der Gewerkschafterin, Frauenrechtlerin und Kommunalpolitikerin Käte Dinnebier. Die Beisetzung der engagierten Vorkämpferin für Soziale Gerechtigkeit fand am Freitag (20. August) in der überfüllten Friedhofskapelle am Rotenberg statt.
Gestorben war die langjährige Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in Marburg am Sonntag (8. August). Geboren wurde sie am 6. Januar 1931 in Kirchhain.
Der sozialdemokratische Haushalt ihrer Eltern prägte sie von Kind an. Eine weitere wichtige Prägung waren die Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs, wo die Häuser von Nachbarn in Schutt und Asche gelegt wurden.
Wegen des Lehrermangels in der unmittelbaren Nachkriegszeit unterrichtete sie schon als Jugendliche die Grundschüler ihrer Heimatstadt. Allerdings zwang die Not ihrer Familie, deren Vater im Krieg geblieben war, die junge Käte schon früh zur Aufnahme einer bezahlten Arbeit.
Angesichts ihres Elternhauses war der Eintritt in die Gewerkschaft für sie eine Selbstverständlichkeit. Zunächst arbeitete sie in einer Strumpffabrik, bevor sie in einen Holz verarbeitenden Betrieb wechselte.
Hier gelang es der angelernten Arbeiterin, gegen die Widerstände der Geschäftsleitung einen Betriebsrat zu gründen. Angesichts ihres Einsatzes war es kein Wunder, dass sie zur Vorsitzenden des neuen Gremiums gewählt wurde.
Aus eigener Betroffenheit heraus setzte sich die Gewerkschafterin zeitlebens für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ein. Ebenso wichtig waren ihr aber auch der Kampf gegen Krieg und Faschismus.
1961 zog sie mit ihrem Ehemann Arthur Dinnebier auf den Marburger Stadtteil Richtsberg. Fortan galt ihr Augenmerk auch den sozialen Strukturen in ihrem dortigen Wohn-Umfeld.
1974 wurde sie als erste Frau in Hessen zur Vorsitzenden eines DGB-Kreises gewählt. Der derzeitige DGB-Kreisvorsitzende Ernst Richter betonte in seiner Leichenrede, dass sie sich damals gegen fünf männliche Gegenkandidaten durchgesetzt hatte: "Das hat sie sehr gefreut."
Zwischenzeitlich brach Richter kurz in Tränen aus, als er die Verdienste seiner Kollegin Käte würdigte. Vor 35 Jahren habe er sie als Jugendsekretär bei gewerkschaftlichen Fortbildungsveranstaltungen kennen und schätzen gelernt.
Seine persönliche Beziehung zu der Verstorbenen würdigte auch Oberbürgermeister Egon Vaupel. Kennengelernt hatte der Sozialdemokrat seine Parteigenossin, als er auf den richtsberg zog.
Doch Dinnebier war auch Stadtverordnete zunächst in Kirchhain und später in Marburg. Mit Respekt verwies Vaupel auf ihre erneute Wahl ins Stadtparlament im Jahr 2003, als sie durch das – damals neu eingeführte - Kumulieren und Panaschieren vom hinteren Listenplatz 46 auf Platz 16 der SPD-Wahlliste aufrückte. Dieses große Vertrauen der wahlberechtigten verschaffte ihr anschließend die Aufgabe eines ehrenamtlichen Magistratsmitglieds.
Mit brüchiger Stimme verwies Vaupel auf die warmherzige und tatkräftige Art der Gewerkschafterin. "Käte war keine Heilige; sie war ein Mensch", betonte der Oberbürgermeister. Immer habe sie "einfach nur getan, was getan werden musste".
Trotz ihrer Ehrung mit dem Bundesverdienstkreuz im Jahr 2004 und mit dem Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte im Jahr 2007 sei sie immer bescheiden geblieben, stellte Vaupel fest. Ihr Interesse habe immer den Menschen und ihren Lebensbedingungen gegolten.
"Käte hatte sich gewünscht, dass ihr Begräbnis im engsten Familienkreis begangen wird", berichtete Richter. "Doch das durften wir ihr nicht durchgehen lassen!"
Als eine wichtige Streiterin für die Rechte von Frauen in der Arbeitswelt und der Gesellschaft würdigte die einstige Stellvertretende DGB-Bundesvorsitzende Ursula Engelen-Kefer in einer Grußbotschaft die Verstorbene. "Käte wird nicht nur einen festen Platz in der Marburger Gewerkschaftsgeschichte einnehmen, sondern auch in der Geschichte der gewerkschaftlichen Frauenbewegung."
Nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt der Marburger DGB-Kreisvorsitzenden im Jahr 1991 wandte Dinnebir sich einer neuen Aufgabe zu. Die Arbeit des DGB-Seniorenkreises, den sie mit ins Leben gerufen hat, bezeichnete Engelen-Kefer in ihrem Schreiben als "bundesweit einmalig".
Zudem schloss sich Dinnebier nach einer Krebserkrankung auch der "Frauen-Selbsthilfe gegen Krebs" an. Auch dort übernahm sie ein Vorstandsamt, um ihre jahrzehntelange Erfahrung in der Organisation sozialer Bewegungsarbeit auch diesem Verein zur Verfügung zu stellen.
Schließlich war sie ab 1995 auch in der Gemeinde der evangelischen Thomaskirche aktiv. Ebenso wie als Elternbeirätin und beim Kinderggarten wirkte sie auch hier sehr tatkräftig mit.
Wie bei den meisten Veranstaltungen zum "Tag der Arbeit" am 1. Mai und vor allem beim Internationalen Frauentag am 8. März sang der Gewerkschaftschor "PoliTöne" auch in der Friedhofskapelle das Lied "Brot und Rosen". Käte hatte das Lied der Frauen immer angestimmt, um damit ihrer Forderung nach Gleichberechtigung am Arbeitsplatz Ausdruck zu verleihen. In Hessen war sie die Erste, die gewerkschaftliche Veranstaltungen zum 8. März organisierte.
"Käte war immer sehr perfektionistisch", berichtete Prof. Dr. Frank Deppe. Alle Veranstaltungen habe sie immer minutiös vorbereitet.
Als besonders großen Erfolg betrachtete er eine Veranstaltung zum 450-jährigen Bestehen der Philipps-Universität mit dem damaligen dGB-Bundesvorsitzenden Hans-Otto Brenner. Mehr als 2.000 Besucher hätten sich damals im Auditorium Maximum (AudiMax) gedrängt, um mit dem Gewerkschafter über die Kooperation zwischen Wissenschaft und Gewerkschaftsbewegung zu diskutieren.
Der Marburger DGB-Vorsitzenden sei die Bedeutung des Wissens für die arbeitende Bevölkerung stets klar gewesen, berichtete Deppe. Der traditionellen Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft wollte Dinnebier eine Kooperation mit den Gewerkschaften entgegensetzen.
Zahlreiche Studierende habe ihre Arbeit geprägt, berichtete Deppe. Wo immer er heute in deutschland hinkomme, versammelten sich ehemalige Marburger und fragten ihn: "Was macht Käte?"
Was sie in ihrem Leben aus ihrem Leben für das Leben vieler anderer Menschen gemacht hat, wird sicherlich bleiben. Das bezeugen auch die zahlreichen Trauergäste, die ihrer "Käte" das letzte Geleit gaben.
Franz-Josef Hanke
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