08.07.2010 (fjh)
Mediziner aus Marburg, Salzburg und Lausanne haben einen Test entwickelt, mit dem Hausärzte sicher entscheiden können, ob Brustschmerzen auf eine Koronare Herzerkrankung (KHK) schließen lassen oder nicht. Die Wissenschaftler um die Allgemeinmediziner Prof. Dr. Norbert Donner-Banzhoff und Dr. Stefan Bösner von der
Philipps-Universität berichten über den "Marburger Herz-Score" im kanadischen Ärzteblatt "CMAJ".
"Die Koronare Herzerkrankung zählt zu den schwereren Erkrankungen, die einen Großteil der Bevölkerung betrifft", sagte Erst-Autor Bösner. Das gelte "vor allem in höherem Alter.“
Verschiedene Risikofaktoren wie Rauchen, Störungen des Fettstoffwechsels oder Bluthochdruck führen über die Jahre zu einer Einengung der Blutgefäße, die den Herzmuskel versorgen. Die meisten KHK-Patienten stellen sich bei ihrem Hausarzt mit Brustschmerzen vor.
Dafür können jedoch auch andere Krankheiten verantwortlich sein. Nur jeder siebte Brustschmerz-Patient in einer allgemeinmedizinischen Praxis leidet letztlich an Koronarer Herzerkrankung.
Seit Jahren erforscht die Abteilung für Allgemeinmedizin der Philipps-Universität Möglichkeiten zur Diagnose Koronarer Herzerkrankungen in der Hausarztpraxis. Mit dem "Marburger Herz-Score" stellt sie eine Entscheidungshilfe für Hausärzte zur Verfügung.
Damit vermögen sie bei Brustschmerz-Patienten eine Koronare Herzerkrankung mit hoher Sicherheit auszuschließen. Der Test wurde in Zusammenarbeit mit hessischen Hausärzten und der Kardiologischen Abteilung des Universitätsklinikums entwickelt. Seine Praxistauglichkeit wurde in einer Anwendungsstudie erprobt.
Die Autoren führten eine Studie durch, in der mehr als 1.200 Patienten mit Brustschmerz in 70 Hausarztpraxen untersucht wurden. Man wollte herausfinden, mit welchen Fragen der Hausarzt eine ernste Herzerkrankung wie KHK von anderen Brustschmerz-Ursachen unterscheiden kann.
"Bei der Auswertung zeigte sich, dass manches Lehrbuch überholt ist“, erklärte Projektleiter Donner-Banzhoff. "Traditionell benutzte Kriterien erwiesen sich als nutzlos. Andere wiederum müssen wir neu in unser Repertoire aufnehmen.“
Letztlich floss eine Kombination aus fünf verschiedenen Merkmalen in die klinische Entscheidungshilfe ein. „Dazu gehört zum Beispiel die Selbsteinschätzung des Patienten.
Laut Donner-Banzhoff ist das "ein innovativer Aspekt, der in der wissenschaftlichen Literatur bisher so nicht beschrieben wurde". Glaubt der Patient, dass seine Schmerzen vom Herzen kommen, so ist die Wahrscheinlichkeit für eine Koronare Herzerkrankung erhöht.
"Die einfachsten Entscheidungsregeln sind auch die besten", lobte der britische Statistiker Dr. Richard Stevens den "Marburger Herz-Score". Er kommt zu dem Schluss: "Die Studie ist in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für die Entwicklung von Vorhersage-Instrumenten."
Zur Zeit führt die Marburger Allgemeinmedizin eine weitere Brustschmerz-Studie mit 50 Hausarztpraxen aus der Region durch. Ein weltweiter Forschungsverbund zu diesem Thema umfasst Partner-Universitäten aus der Schweiz, in Belgien, Schweden und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).
pm: Philipps-Universität Marburg
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