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Finale ohne Übeltäter


Perspektiven im Debakel der Bahn-Privatisierung

08.04.2008 (jnl)
Bei der Kritik am geplanten Börsengang der Deutschen Bahn AG (DBAG) ist Marburg vorne. Stephan Diefenbach-Trommer und Prof. Dr. Wolfgang Hesse referierten am Montag (7. April) vor einem - mit rund 200 Leuten berstend vollen - Hörsaal über "Die Zukunft der Bahn -Perspektiven nach dem Privatisierungs-Debakel".
Entgegen dem eigenen Parteitagsbeschluss in Hamburg wollen die SPD-Rechten die Bahn verkaufen. In dieser Woche fallen darüber Entscheidungen in den Spitzengremien. Es stehe Spitz auf Knopf, dass sich die Bundes-SPD erneut als Partei des Ausverkaufs profiliere.
Der in der Öffentlichkeitsarbeit des Vereins Bahn für Alle tätige Diefenbach-Trommer zeichnete sachkundig die ermutigende Entwicklung der letzten Jahre nach. Im Jahr 2006 krähte in der deutschen Medien-Landschaft noch kein Hahn nach Alternativen zum Bahn-Börsengang. Seither hat sich das Blatt jedoch spürbar gewendet.
Zwischen Sommer und Herbst 2006 kam ein Umschwung in der Öffentlichen Meinung zuwege. Hatten in einer repräsentativen Umfrage zuerst 26 Prozent noch "keine Meinung" zum Thema geäußert, waren davon im Herbst nur mehr vier Prozent übrig. Der Rest war ins Lager der Gegner des Bahn-Ausverkaufs eingeschwenkt.
Rund 70 Prozent der deutschen Bevölkerung sind gegen die Börsenbahn-Pläne. Diese Zwei-Drittel-Mehrheit ist seitdem laut Diefenbach-Trommer stabil durch mehrere weitere Repräsentativ-Umfragen verschiedener Institute bestätigt worden. Die letzte kam im März 2008 heraus.
Aus kleinen Anfängen mit nur vier gesellschaftlichen Gruppen hinter der Kampagne gegen die Bahn-Privatisierung ist eine mit 15 beteiligten Organisationen einflussstarke Bewegung geworden. "Bahn für Alle" ist auch für die Medien zu einem ernstzunehmenden Gegenspieler des DBAG-Vorstandsvorsitzenden Hartmut Mehdorn geworden.
Empfehlenswert bei der Diskussion über diese Entwicklung sei das Buch von Markus Wacket "Mehdorn, die Bahn und die Börse", meinte Diefenbach-Trommer. Der Reuters-Journalist habe die Entwicklung der zivilgesellschaftlichen Gegenwehr gegen den Ausverkauf gut herausgearbeitet.
"Nur Nein-Sagen ist leicht", wird Aktivisten häufig von politischen Gegnern entgegengehalten. Die Anti-Börsenbahn-Kampagne kann dagegen stolz darauf verweisen, einen gut ausgearbeiteten Gegenplan zur Zukunft der Deutschen Bahn vorzulegen.
Prof. Dr. Wolfgang Hesse hielt trotz eines grippalen Infekts einen - wie immer exzellenten - Vortrag dazu. Sein Konzept nannte er "BB 2020". Dabei steht "BB" nicht für die altbekannte Film-Schönheit, sondern für "Bürger-Bahn" oder "Bessere Bahn", wie Hesse zwinkernd anmerkte.
Der gegenwärtige Taktfahrplan der DBAG stecke voller "verzerrter Knoten", monierte er. Das Umsteigen sei katastrophal. Im Vergleich zur Schweiz stehe Deutschland ganz schlecht dar.
Insbesondere forderte sein Konzept einfache, übersichtliche Tarife und: "Verknüpfung hat Priorität".
Sämtliche Forderungen waren mit einer Bahn-Privatisierung prinzipiell nicht zu vereinbaren.
Jürgen Neitzel
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