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Geschickt gefragt


Anruf mit Enkel-Trick

28.06.2010 (fjh)
Eigene Erfahrung ist doch etwas Anderes als die oberflächliche Kenntnis einer kriminellen Masche aus den Medien. Auch hätte ich nie geglaubt, dass ich trotz meines – doch nicht gerade betagten – Alters bereits Zielscheibe des sogenannten "Enkel-Tricks" werden könnte.
Das Telefon klingelte am Montag (28. Juni) kurz vor 10 Uhr morgens. Eine Frauenstimme meldete sich mit einem fröhlichen "Hallo!".
Zunächst war mir nicht klar, wer da wohl anrief. Doch die Anruferin ließ mir keine lange Zeit zum Überlegen.
"Na, wie gehts?" Die Frage klang freundlich und vertraut.
"Gut!" Meine Antwort gab ich ebenso nichtssagend wie unsicher. Kurz überlegte ich, wer da wohl am Apparat sein könnte.
Ich entschied mich für eine ehemalige Praktikantin. Die Stimme am anderen Leitung klang ähnlich wie ihre.
Aber irgendwie schien die Frau am Telefon deutlich älter zu sein. Doch hatte ich die Stimme der vermeintlichen Anruferin auch seit einigen Monaten nicht mehr gehört.
"Und Dir?" Meine Frage beantwortete die Anruferin mit "Ganz gut!"
"Die ist aber irgendwie alt geworden", dachte ich. Zumindest von der Stimme her klang sie 20 bis 30 Jahre älter als meine Bekannte.
"Was macht die Kunst?" Ich vermutete, dass der morgendliche Anruf nicht ohne Grund erfolgte. Also wollte ich meiner Gesprächspartnerin Gelegenheit geben, zum eigentlichen Anlass ihres Anrufs zu kommen.
"Ich habe keinen Grund zum Klagen", erklärte sie. "Und Du?"
Ich antwortete immer noch unsicher: "Bei mir ist es ganz ähnlich."
Die Frau am Telefon hakte nach: "Was gibts Neues?"
Ich erwiderte: "Nichts Besonderes!"
Noch einmal hakte sie nach: "Wirklich gar nichts?"
Wieder gab ich eine wenig aussagekräftige Antwort: "Nein, wirklich. Alles läuft ungefähr so wie immer. Und bei Dir?"
Immer noch kam mir die Stimme etwas fremd vor. Sie sagte nur: "Auch bei mir ist alles wie gehabt. Aber bei Dir muss es doch irgendwas Neues geben!"
Jetzt fühlte ich mich in der Pflicht, wenigstens eine Kleinigkeit mitzuteilen: "Ich habe eine neue Praktikantin."
Statt der erwarteten Nachfrage wurde die Frau am Telefon wieder fröhlicher: "Rat mal, wo ich bin!"
Ich hatte sofrort eine Idee: "In Marburg?"
Sie antwortete fröhlich: "Ja, aber nicht lange!"
Nun erwartete ich, dass sie sich mit mir für einen Besuch verabreden würde. Genau das geschah jetzt auch: "Kann ich vorbeikommen?"
Ich willigte ein, ohne zu zögern: "Ja, gerne!"
Ich spürte, dass es die Anruferin mit dem Besuch eilig hatte: "Wann passt es Dir denn. Jetzt gleichß?"
Ich dachte an meine Termine: "Heute ist es schlecht. Wie lange bist Du denn hier?"
Die Anruferin antwortete kurz: "Bis morgen!"
Zögernd bot ich ihr einemn Termin am Dienstagmorgen an: "Morgen früh könnte ich."
Die Frau am Telefon schien erleichtert. Sie machte eine Pause. Dann fuhr sie etwas leiser fort: "Kann ich Dir etwas anvertrauen?"
Natürlich antwortete ich mit "Selbstverständlich!"
Die Stimme am Ende der Leitung klang nun etwas besorgt: "Aber es darf aber niemand erfahren. Wirklich niemand!"
Ich versichertes ie meines Schweigens: "Du kannst Dich darauf verlassen, dass ich nichts weitererzählen werde."
Jetzt rückte sie endlich mit dem Anlass ihres Anrufs heraus: "Ich brauche Deine Hilfe."
Genau das hatte ich erwartet. Doch hätte meine Ex-Praktikantin daraus sicherlich keine solche Geheimniskrämerei gemacht.
"Wie kann ich Dir helfen?" Meine Frage zielte darauf ab, dass ich meiner früheren Praktikantin ihrgendeinen Rat geben könnte, den sie für ihren beruflichen Werdegang benötigte.
Doch stattdessen kam jetzt etwas völlig Unerwartetes: "Es geht um finanzielle Hilfe."
Daraufhin reagierte ich erstaunt: "Ich glaube nicht, dass ich Dir da helfen kann."
Die Frau ließ aber noch nicht locker: "Es eilt. Ich brauche das Geld bis morgen."
Nach einer Pause begründete sie ihren Wunsch, ohne dass ich zwischenzeitlich ein Wort gesagt hätte: "Ich habe mir einen Van gekauft. Den muss ich bis morgen früh bezahlen. Ich hae einen Verrechnungsscheck ausgestellt. Aber die nehmen keine Verrechnungsschecks."
Irgendwie wurde mir klar, dass dieser Wunsch auf keinen Fall von meiner Ex-Praktikantin stammen konnte. Sie hätte niemals vermutet, dass ich ihr finanziell aushelfen könnte.
"Da kann ich Dir nicht helfen", sagte ich.
"Dann machs gut!" Die Anruferin legte auf.
Erst jetzt wurde mir klar, dass ich gerade das Ziel eines versuchten Betrugs geworden war. Schon oft hatte ich in den Polizeimeldungen Warnungen vor dem "Enkel-Trick" gelesen. Nun aber hatte ich am eigenen Ohr erfahren, wie so etwas abging.
Die Gesprächsführung der Anruferin war wirklich sehr geschickt gewesen. Sie hatte alles dermaßen im Vagen gehalten, dass ich meine Erwartungen in das Telefonat hineininterpretieren konnte.
Glücklicherweise war ich nicht auf diese Masche hereingefallen. Gottseidank hatte ich auch keinen Namen genannt und keine persönlichen Details preisgegeben.
Dennoch wurmte es mich, dass ich das Spiel erst sehr spät durchschaut hatte. Aber die Bitte um finanzielle Unterstützung war wirklich nicht angemessen für das Verhältnis, das ich zu meiner ehemaligen Praktikantin hatte. So etwas hätte sie mich nie gefragt!
Franz-Josef Hanke
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