16.04.2010 (jnl)
derhard Jaumann stellte am Donnerstag (15. April) im
Technologie- und Tagungszentrum (TTZ) seinen neuen Kriminalroman vor. "Die Stunde des Schakals" hat seine Schauplätze im südlichen Afrika. Der Roman mit Thriller-Qualitäten greift reale Geschehnisse auf, die im Plot fiktive Entwicklungen auslösen.
Einführend wies Werner Girgert vom Verein
Strömungen auf die herausragende Stellung des Schriftstellers hin, der bereits dreimal mit den angesehensten deutschsprachigen Krimi-Preisen gewürdigt wurde. Die Neuerscheinung ist sein neunter Kriminalroman.
Leider war an diesem Abend nur spärlich Publikum erschienen. Offenbar hatte der in Marburg noch unbekannte Name des Autors diesmal noch nicht gezogen.
Zu Beginn seiner Lesung erläuterte der seit zwei Jahren in Namibia lebende Autor die geschichtlichen Bezüge. Ein halbes Jahr vor den ersten unabhängigen und gleichen Wahlen in Namibia wurde am 12. September 1989 ein aufsehenerregender politischer Mord verübt. Das Opfer hieß Anton Lubowski und entstammte der weißen Oberschicht in Namibias Haupstadt Windhoek. Allerdings war der Ermordete Mitglied, Rechtsanwalt und Verbindungsmann der South West Africa People's Organization (SWAPO).
Die sechs mutmaßlichen rechtsradikalen Verschwörer, die ihn vor seiner Haustür erschossen, sind namentlich bekannt. Trotzdem wurden sie nie vor Gericht gestellt und zur Rechenschaft gezogen.
Zwei von ihnen leben nach wie vor unbehelligt in Namibia, drei weitere in Südafrika. Von einem ist der Verbleib nicht bekannt.
Angesichts der Tatsache, dass die SWAPO seit den - im November 1989 gewonnenen - Wahlen ununterbrochen die Regierung stellt, ist der Ausgang des spektakulärsten Verbrechens der neueren Landesgeschichte schon verflixt mysteriös. Offenkundig hat die Regierungspartei die Aufklärung gefürchtet und unterbunden. Vermutlich hatte sie selber "Dreck am Stecken".
Jaumann greift den gegenwärtigen Stand der Dinge auf und macht daraus einen fiktiven Thriller. Bei ihm werden die fünf bekannten Rechtsradikalen, die an jener Mordtat beteiligt waren, nacheinander von einem Serienkiller aufgesucht und selber erschossen. Nebenbei erfährt der Leser viel über die gegenwärtigen Verhältnisse im südlichen Afrika. Wie leben die Armen, die die Masse der Schwarzen? Wie leben die Angehörigen der überwiegend weißen Oberschicht? Wie steht es um den Staat?
Der 52-jährige Autor las drei längere Passagen aus den Anfangskapiteln seines im vorigen Monat erschienenen Buches. Das Auflauern vor der ersten Blutat wird aus der Perspektive des Täters geschildert. Man fühlte sich, als sei man dabei.
Die beengten Wohn- und Familienverhältnisse der schwarzen Bevölkerung werden nicht ohne Humor am Beispiel von Alltagskonflikten der weiblichen Kripo-Ermittlerin Clemencia Garises dem Leser nahegebracht.
Unerhört spannend und action haltig ließ die dritte Passage das Publikum "hautnah" teilhaben an einer nahezu filmischen Aufbereitung der zweiten Bluttat. Denn das zweite Opfer schaffte es um ein Haar, noch zu entkommen.
Jaumann entwickelt seinen Plot mit viel Sinn für Spannungsaufbau und sprachliche Nuancen. Auch als Vorlesender zeigte er beachtliche Qualitäten, die Zuhörer in seine Geschichte hineinzuziehen.
In der anschließenden Fragerunde wurde der Schriftsteller gefragt, wie er denn auf diese Story gekommen sei. Gewissermaßen habe sie vor seiner Haustür in Windhoeks Nobel-Viertel Johannesdorf gelegen.
Die Benennung einer Straße nach Anton Lubowski erregte seine Neugier und löste umfangreiche Recherchen aus. Am Ende kam ein überaus spannendes Buch dabei heraus.
Doch nicht mit den Mitteln des Sachbuchs, sondern mit den Erzählstrategien des Krimi-Thrillers wird das geheimnisvolle "Herz der Finsternis" in Namibias junger Demokratie-Geschichte neu aufbereitet. Hat der Autor keine Furcht, dass die Nennung realer Namen im Roman unangenehme Folgen für ihn haben könnte?
"Nein", sagte der Befragte. Er habe sehr genau überlegt und abgewogen, bevor er sich dazu entschloss. Ein Antrag auf eine Einstweilige Verfügung gegen einen Journalisten in Südafrika, der einen der an der Lubowski-Ermordung Beteiligten einen gefährlichen Mörder genannt hatte, sei dort ohne Weiteres abgeschmettert worden.
Wird es weitere Romane mit der sympathischen jungen schwarzen Ermittlerin Garises geben? Das sei wahrscheinlich, beschied der Schriftsteller. Schließlich sei er noch weitere zwei Jahre in Windhoek wohnhaft, wo seine Ehefrau als Lehrerin an der Deutschen Schule unterrichtet.
Ganz zweifelsfrei wird dieser großartige Erzähler bei seiner nächsten Lesung in Marburg schon wegen der Mund-Propaganda erheblich mehr Zuhörer mobilisieren. Verdient hätte er das schon jetzt.
Jürgen Neitzel
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