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Eine Frage der Gerechtigkeit


Zur Notwendigkeit von Mindestlöhnen

07.04.2010 (mal)
Seit einiger Zeit ist der gesetzliche Mindestlohn Inhalt einer politischen Diskussion über Reformen auf dem Arbeitsmarkt. Reformen sind auch dringend nötig, wenn man sich die Arbeitsmarktlage einmal näher ansieht.
Im Zuge des anhaltenden Umbaus des Sozialstaats sind vielfältige Regelungen verloren gegangen, die der Sicherung von sozialen Mindeststandards in Deutschland gedient haben. Die Folgen sind ein sinkendes Einkommensniveau und eine wachsende Zahl arbeitender Menschen, die trotz Vollzeit-Arbeit so wenig verdienen, dass ein menschenwürdiges Leben von ihrem Einkommen nicht mehr möglich ist.
Wie das Institut für Wirtschaftsforschung Halle in den vergangenen Jahren herausgefunden hat, verdient jeder fünfte abhängige Beschäftigte in Ostdeutschland weniger als 7,50 Euro die Stunde. Im Westen ist jeder zwölfte Beschäftigte von Niedriglöhnen betroffen.
Teilweise liegen die Löhne schon unter 3 Euro die Stunde. Die Tendenz dieser Niedriglohn-Zahlungen ist steigend. Alarmierend sind ebenso die hohe Arbeitslosenquote und der enorme Fachkräftemangel in Deutschland.
Für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns spricht die damit verbundene Stärkung der Tarif-Autonomie. Auf der einen Seite besitzen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände das Recht, Tarifverträge ohne Einflussnahme durch staatliche Stellen festzulegen und abzuschließen. Auf der anderen Seite ist es zwingend erforderlich, dass der Staat etwas unternimmt, denn schon seit Jahren funktioniert diese Tarif-Autonomie nicht mehr.
Die Tarifverträge verlieren ihre Ordnungskraft. Inzwischen existiert für 30 Prozent der Beschäftigten in den alten Bundesländern und für 45 Prozent in den neuen Bundesländern keine Tarifbindung mehr.
Die Folge davon ist vielerorts Lohndumping durch die Vereinbarung von Niedriglöhnen unterhalb des Existenzminimums. Auch Tarifverträge schützen nicht mehr effektiv gegen Niedriglöhne. Das haben vor allem die Tariflöhne von 4 Euro die Stunde im Friseurhandwerk und Gastronomiegewerbe bewiesen.
Genau genommen ist der Mindestlohn auch kein Eingriff in die Tarif-Autonomie. Für tarifliche Regelungen gibt es Rahmenbedingungen wie Höchstarbeitszeiten, gesetzlichen Mindesturlaub und Entgelt-Fortzahlung im Krankheitsfall. Der Mindestlohn stellt nur eine weitere Rahmenbedingung dar und legt eine Einkommens-Untergrenze fest, die nicht unterschritten werden darf.
Auch Tarifverträge können dann keine niedrigeren Löhne als den Mindestlohn vorsehen. Die Tarif-Autonomie bleibt weiterhin bestehen und die Tarifparteien können völlig frei Tariflöhne oberhalb des gesetzlichen Mindestlohns vereinbaren. Mindestlöhne stabilisieren die Einkommen am unteren Rand und verbessern so die Möglichkeit für die Gewerkschaften, sich auf die Gestaltung der Tarifstruktur oberhalb des Mindestlohns zu konzentrieren.
Erhebliche Arbeitsplatz-Verluste und ein drastisches Ansteigen der Arbeitslosenquote befürchten einige Reform-Kritiker. Ein Beispiel hierfür ist die Einführung des Mindestlohns in Frankreich. Die Gefahr, dass unproduktive und zu teure Arbeitsplätze vernichtet werden, wurde dort zur Realität.
Gering qualifizierte Arbeitskräfte erhielten durch den Mindestlohn eine höhere Vergütung. Dadurch wurden sie aber für die Unternehmen, die lieber hoch qualifizierte Arbeitskräfte einstellen wollten, zu teuer. Die Konsequenz war die Entlassung gering qualifizierter Arbeitnehmer und eine damit verbundene Erhöhung der Arbeitslosenquote.
Doch die Befürchtungen von Mindestlohn-Kritikern hinsichtlich eines drohenden Job-Abbaus in Deutschland sind völlig unbegründet. Die Gefahr, dass unproduktive und zu teure Arbeitsplätze vernichtet und besonders niedrig qualifizierte Arbeitskräfte gefährdet werden, kann gar nicht zur Realität werden.
Der Mindestlohn trägt zur Sicherung von Arbeitsplätzen bei. Der gesetzliche Mindestlohn verhindert die Entstehung von Lohndumping.
Ein höheres Einkommen bewirkt ein Ansteigen sowohl des privaten Konsums als auch des volkswirtschaftlichen Wohlstands. Gleichzeitig steigen Arbeitsmotivation und Produktivität an. Die Wirtschaft wächst stärker und die Unternehmen brauchen aufgrund der guten Auftragslage niemanden zu entlassen.
Mit Ausnahme von Frankreich hat sich die Einführung von Mindestlöhnen in anderen europäischen Ländern ohnehin als wirksames Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit herausgestellt. Vielfach sank die Arbeitslosenquote im beträchtlichen Maß.
Um den inländischen Arbeitsmarkt vor der ausländischen Lohn-Konkurrenz zu schützen, erscheint der Mindestlohn vielen Wirtschaftsfunktionären als fehlerhaftes Instrument. Er komme einem Einfuhrzoll auf ausländische Arbeitskräfte gleich und verteuere ausländische Arbeit.
Die vermeintlich vorher billigen Arbeitskräfte verdienten nun genauso viel wie inländische Arbeiter. Sie verlören für Betriebe nun an Attraktivität. Um Kosten einzusparen, gingen die Unternehmen dann ins Ausland.
Doch ein Mindestlohn wird nicht zur Verlegung von Arbeitsplätzen in Billiglohn-Länder führen. Die meisten Niedriglöhne werden ohnehin nur in der Dienstleistungsbranche gezahlt. Dienstleistungen wie Wachdienst oder Friseurhandwerk sind aber ortsgebunden und können nicht verlagert werden.
In der Vergangenheit waren hohe Löhne die treibende Kraft für Produkt-Innovationen und Qualitätsverbesserung. Sie sind nicht nur wichtige Kriterien bei der Standort-Wahl internationaler Unternehmen.
Deutsche Unternehmen können nur so ihre internationale Konkurrenzfähigkeit behaupten. Daher kommt der Mindestlohn auch der Wirtschaft zugute.
Es zeigt sich also, dass alle Sorgen, den gesetzlichen Mindestlohn betreffend, völlig unbegründet sind. Seine Wirkungen sind durchweg positiv und können nur zu einer erfolgreichen Wirtschaftsentwicklung führen.
Martin Ludwig
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