30.03.2010 (mal)
Die geriatrische Behandlung ist ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitsregion Marburg-Biedenkopf. Gemeinsame Projekte betreuen derzeit das Diakonie-Krankenhaus Marburg-Wehrda und die Hessische Bergland-Klinik in Bad Endbach. Die Wichtigkeit von ganzheitlichen Ansätzen bei älteren Patienten verdeutlichten Krankenhaus-Chefarzt Dr. Walter Gleichmann und Klinik-Chefarzt Jochen Gehrke am Dienstag (30. März) in der Kreisverwaltung.
"Mit der Gesundheitsregion Marburg-Biedenkopf können wir auf verschiedene Schwerpunkte aus dem Bereich der Gesundheitswirtschaft und Gesundheitsversorgung aufmerksam machen", betonte Landrat Robert Fischbach. Die Geriatrie zeige auf, dass mit älteren Patienten anders und vor allem ganzheitlicher umzugehen sei. Nur so könnten langfristige Erfolge erzielt werden.
"Geriatrie ist keine Medizin aller über 65-Jährigen. Geriatrisches Wissen umfasst vielmehr besondere Kenntnisse über Alter und Krankheit und ihre vielfachen Wechselwirkungen", erläuterte Gleichmann.
Ein geriatrischer Patient sei viel mehr eine biologisch ältere Person, die durch altersbedingte Funktions-Einschränkungen bei Erkrankungen akut gefährdet sei. Durch gleichzeitiges Auftreten mehrerer chronischer Erkrankungen (Multimorbidität) bestehe ein besonderer Handlungsbedarf.
Das Alter ziehe vieles nach sich. Krankheitsbilder könnten dann ein anderes Gewicht erhalten. Ein Verlust der Selbstversorgungs-Fähigkeit durch kleinere Infektionen sei keine Seltenheit.
Im Alter werde die Leistungs-Grenze schneller erreicht. Überschreitungen könnten zum körperlichen, seelischen und sozialen Zusammenbruch führen.
Da ältere Menschen häufiger von Erkrankungen betroffen sind als jüngere, werden Alter und Krankheit häufig gleichgesetzt. Wenn sich im Alter Gesundheits-Einbußen einstellten, seien sie meist in den Bereichen körperlicher Funktionen wie dem Hören, Sehen oder der Bewegung zu finden.
Beide Ärzte verwiesen darauf, dass die Multimorbidität ein großes Problem darstellt. So könne eine Lungenentzündung das Auftreten einer Herzschwäche begünstigen. Ein nachfolgender Blutdruck-Einbruch sei die direkte Konsequenz. Eine vorher bestehende Einengung an einem neuronalen Blutgefäß werde nun zu einem Problem und habe einen Schlaganfall zur Folge.
Wer geriatrische Krankheitsketten vermeiden wolle, müsse Risiko-Kombinationen erfassen und vorbeugend behandeln. Einzelne - für sich genommen eigentlich nicht gravierende - Erkrankungen könnten sich zu einem bedrohlichen Verlust von physischer, psychischer und sozialer Unabhängigkeit auswachsen. Durch Organisation von Betreuung sowie durch Angebote von angemessener medizinischer und sozialer Unterstützung müsse dem vorgebeugt werden.
Das Behandlungsteam sei in der Geriatrie multiprofessionell ausgerichtet. In jedem Fall sollten Ärzte, Ergotherapeuten, Logopäden, Pflegetherapeuten, Physiotherapeuten und Sozialarbeiter im Team mitwirken. Alle Mitglieder müssten besonders geschult sein und die häufigsten Probleme der alten Patienten kennen.
"Die Geriatrie ist eine Medizin mit Zukunft", erklärte Gehrke. Sie biete dem älteren Patienten ein ganzheitliches diagnostisches und therapeutisches Konzept an. Durch die Kombination organmedizinischer und funktioneller Therapie könne eine größtmögliche Selbständigkeit der Lebensführung und damit der sozialen Kompetenz erhalten oder wiederhergestellt werden.
Beide Mediziner verwiesen auf die große Bedeutung der Angehörigen-Arbeit. Langfristig könnten Erfolge nur durch deren Beitrag erzielt werden. Die Angehörigen müssten sowohl das Wissen um die Krankheit mit einbringen wie auch das Verständnis für verwirrtes Verhalten und Schwankungen der Leistungsfähigkeit. Sie sollten in die Rolle der fürsorglich verantwortlichen Bezugsperson hineinwachsen sowie instrumentelle und personelle Hilfen in Anspruch nehmen. Dazu gehörten auch Fragen zum Wohnumfeld. Ob 30 Treppenstufen begehbar sind, Möglichkeiten eines Umbaus existieren oder sogar die Notwendigkeit eines Umzugs besteht, müsse berücksichtigt werden.
Geriatrie sei ein sehr großes und weites Feld. Dieses Thema spiele in der Gesundheitsregion eine wichtige Rolle und werde künftig noch weiter ausgebaut.
pm: Landkreis Marburg-Biedenkopf
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