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Großer Erfolg


Kameragespräch über Vacanos Arbeit für "Das Boot"

14.03.2010 (jnl)
Der weltweit erfolgreiche Kinofilm "Das Boot" mit einer Oscar-Nominierung für seine Kamera-Arbeit war Jost Vacanos internationaler Durchbruch. Den Bedingungen seiner Bildgestaltung und Entwicklung widmete sich das zweite Podium der Marburger Kameragespräche am Sonntag (14. März) im Arthaus-Kino "Kammer" am Steinweg.
Die Bavaria-Produktion "Das Boot" war der teuerste deutsche Film, den es bis dato gab. Um die Kosten sicher wieder einzuspielen, galt ein kommerzieller Erfolg unter Weltmarktbedingungen als Voraussetzung. Diese Tatsache erzeugte einen enormen Druck auf alle Beteiligten, nur ja keinen Fehler zu machen, der dieses Ziel gefährden könnte. Vacano berichtete von schlafarmen Nächten.
Die Grundannahme grassierte, man müsse zu diesem Zweck vorhandene Hollywood-U-Boot-Filme nachahmen und möglichst übertreffen. Derartige Vorstellungen hatte laut Jost Vacanos Schilderung sowohl der Regisseur Wolfgang Petersen als auch der Produzent Günther Rohrbach.
Der Kamerapreisträger berichtete, dass er von Anfang an einen eigenen Ansatz verfolgte und mit viel Kommunikation und guten Argumenten schließlich schaffte, beide von einer eigenständigen Herangehensweise ohne Nachahmen zu überzeugen. Ältere U-Boot-Filme aus US-Produktion habe er sich im Gegensatz zu Petersen gar nicht angeschaut.
Sein Arbeitstil sei so: überlegen wie er selber die Aufgabe am stimmigsten lösen könnte, dann prüfen, was die Anderen von ihm zu machen erwarteten und schließlich herausarbeiten, wie beides miteinander vereinbar zu machen sein könnte.
Wie das Tagungspublikum aus einer Vorführung des Films frisch im Gedächtnis hatte, waren die von Vacano gestalteten Film-Bilder tatsächlich höchst innovativ und so noch nie gesehen worden. Dass die in der Academy of Motion Pictures versammelten Berufskollegen ihm mit der Oscar-Nominierung ihre Anerkennung aussprachen, war genau dieser eigenständigen Arbeitsweise und ihrem Resultat zuzuschreiben.
Der auf dem Podium zum Film vertretene Berufskollege Wolfgang Treu nannte Vacano einen großen technischen Innovateur und Erfinder. Kamera-Objektive, die es auf dem internationalen Markt nicht gab, baute Vacano sich in seiner privaten Werkstatt kurzerhand selbst, schilderte er bewundernd. Er selbst war als Spezialist für Seefahrt-Aufnahmen mit den aufwändigen Bildgestaltungen von Modellbauten der Jäger- und Beuteschiffe des U-Boots betraut gewesen.
Die licht- und bildtechnische Darstellung der Schiffsbewegungen auf hoher See, die am Studio-Nachbau der U-Boot-Sektionen zu leisten war, stellte ein schwer in den Griff zu bekommendes techniches Problem dar. Vacano übernahm den bis dato nur aus militärischen Anwendungen bekannten Kreiselkompass und schuf daraus eine neuartige Bewegungsstabilisierung der Handkamera. Diese Entwicklung nennt man seitdem im Metier nach seinem Vornamen "Josticam".
Besonders stolz berichtete der Preisträger selber von einem - die gesamten 50 Meter Länge des U-Boot-Nachbaus umfassenden - Kamera-Lauf. Diese - eine der zahlreichen Alarm-Manöver der Mannschaft abbildende - Einstellung stellte ihn mit der Handkamera auf der Schulter wegen der Sektionen-Schotts vor eine enorme sportliche Herausforderung. Nach längerem Training "wie ein Zirkusartist" schaffte Vacano auch diese meisterliche Leistung.
In die ausgefuchste Lichtgestaltung zog er - Qualm sichtbar machende - Kleinlampen ebenso ein wie die Schauspieler, die gelegentlich nach genauen Anweisungen große Taschenlampen einzusetzen hatten. Mit dem Autor Lothar Buchheim gab es unter anderem Ärger, weil an einer Stelle aus lichtdramaturgischen Gründen Hängelampen eingesetzt wurden, die es auf einem realen U-Boot niemals gegeben hatte.
Aus all diesen Details zur künstlerischen Film-Bildgestaltung durch den Kameramann Vacano ging laut Diskussionsverlauf der Tagung deutlich hervor, dass sein gegenwärtig gerichtlich eingeforderter Anspruch auf Urheberrechte an diesem Film sicherlich berechtigt ist.
Ein Dilemma der deutschen Sprache besteht laut Vacano darin, dass die meisten anderen Sprachen Differenzierungen je nach Tätigkeitsfeld bieten, wo das Deutsche nur den Sammelbegriff "Kameramann" kennt. Im Englischen beispielsweise nennt man die Werbe-Dokumentarfilmer "cinematographer", die Fernsehshow-Operatoren und Reporter an den Kameras "cameraman", die Bildgestalter der Kinofilme hingegen heißen "director of photography" (DoP).
Vacano versteht sich dementsprechend als ein Vorkämpfer seiner Berufskollegen, die als DoP eben gerade nicht bloße technische Handlanger der Filmregisseure sind. Er erhebt selbstbewusst den Anspruch, dass die im Kinofilm tätigen Berufskollegen als DoP eben "nicht als Techniker und Knöpfchendrücker, sondern als Künstler" tätig sind.
Die im Rahmen der Kameragespräche übliche Publikumsrunde brachte noch ein paar Rückfragen an den Sachverstand der auf dem Podium versammelten drei Kamera-Profis. Welche Rolle spielt in diesem Beruf die Postproduktion nach dem Drehschluss?
Es ist eine kleinere, aber wichtige Aufgabe des DoP, lautete die Antwort Vacanos. Wie sehen die Fachleute die sogenannte "Video-Ausspiegelung"? Man sieht sie durchaus kritisch, aber sie ist eine unausweichliche Tatsache geworden.
Der Abschluss der zweiten Runde der Kameragespräche wurde versüßt mit der Ankündigung, dass jene, die abends den visuell exzellenten dreieinhalbstündigen Director's Cut von "Das Boot" noch einmal in voller Länge genießen wollten, das mit ihrem Tagungsticket ohne Aufpreis tun konnten.
Jürgen Neitzel
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