12.03.2010 (jnl)
Im Vorfeld der Marburger Kameragespräche am zweiten März-Wochenende hatte
marburgNews am Donnerstag (11. März) Gelegenheit, den diesjährigen Preisträger Jost Vacano zu seinem Leben zu befragen.
Wie fühlt es sich an, mal im öffentlichen Raum die Hauptrolle zu übernehmen? Ein Kameramann steht doch sonst immer in der zweiten Reihe der Filmproduktion. Der 75-jährige Vacano verweist bei dieser Frage souverän auf die Vielzahl der Auszeichnungen, die er im Lauf der Jahre schon entgegengenommen hat. Schön sei es, aber nicht mehr erhebend.
Zu seinem Beruf gefunden hat er durch Umwege, etwa über ein Vordiplom zum Elektroingenieur. Mit Pragmatismus und Hartnäckigkeit hat er seinen Wunsch, Film-Bildgestalter zu werden, allen widrigen Umständen zum Trotz durchgesetzt. In der Nachkriegszeit der frühen 50er Jahre gab es in Deutschland schließlich noch keine Film- und Fernseh-Akademien, die man absolvieren konnte.
In der Gegenwart dagegen gibt es laut Vacano beinahe zu viele davon. Jedes Jahr kommen 80 neue Absolventen auf einen Arbeitsmarkt, der angespannt ist. Längst nicht jeder findet genügend Aufträge, um sein Auskommen zu haben.
Unter den Kameraleuten gibt es Alters-Armut. Vacano, der selber ein höchst erfolgreiches Berufsleben hatte, engagiert sich hier. Seit er im Ruhestand ist, setzt er sich vermehrt für seinen Berufsverband ein.
Im Gegensatz zum Image eines coolen Berufsbilds ist ein Film-Bildgestalter ein ungeheuer Zähigkeit und lange Arbeitstage fordernder Beruf, schildert Vacano. Nur jene, die beim "Dreh" 12- bis 14-stündige Arbeitstage aushalten und trotzdem Kreativität und Findigkeit entwickeln, können erfolgreich sein. Als "director of fotography" beim Film sieht es deutlich anders aus als bei den "operators of fotography" der Fernseh-Shows, verdeutlicht der Veteran.
Seinen Durchbruch als international tätiger Film-Profi hat Vacano der Oscar-Nominierung für "Das Boot" zu verdanken. Diese Auszeichnung wird in jeder Sparte ausschließlich von seinen Berufskollegen vergeben, die Mitglieder der "Motion Picture Academy" sind.
Die Anerkennung seitens der Fachleute bedeutet dem Kamera-Profi sehr viel. Er war übrigens der erste Europäer, der in dieser Sparte eine Nominierung erhielt.
Beeindruckt hat die Berufskollegen unter anderem die nach ihm benannte "Josticam"-Erfindung, die unter den Bedingungen des U-Boot-Drehorts eine wackelarme Kameraführung gewährleistete.
Dynamik ist das Lebenselexier für den Kamera-Profi und Hobby-Flieger Vacano. Seit er für die Verfilmung der "Unendlichen Geschichte" einmal vornehmlich mit festgestellter Kamera drehen musste, ist er auf diesen Film nicht gut zu sprechen.
Dass ihn der Erfolg mit dem Dreiklang "Action, Fantasy, Effekte" beruflich auf dieses Profil verengt hat, beklagt er im Nachhinein. Inhaltlich findet er die Filme aus seiner deutschen Schaffensperiode ansprechender. Privat ist er keineswegs ein großer Liebhaber des Action-Genres.
Die enge Kooperation mit dem renommierten niederländischen Regisseur Paul Verhoeven hat seine Berufslaufbahn zuletzt geprägt. Mit ihm verband ihn eine intensive Arbeitsfreundschaft. Persönliche Freundschaften unter derart stressigen Rahmenbedingungen sind höchst selten, erläutert Vacano.
Nachdem er mit 66 Jahren im Jahr 2000 allmählich in den Ruhestand übergewechselt hatte, hat der erfahrene Bildgestalter vielfach Kompakt-Seminare für den Nachwuchs im Metier gegeben. Der sportlich und vital wirkende Mittsiebziger ist ein freundlicher, nachdenklicher und scharfsinniger Zeitgenosse. Es macht Freude, sich mit ihm zu unterhalten.
Jürgen Neitzel
Text 3551 groß anzeigenwww.marburgnews.de