Logo: marburgnewsMobile Marburgnews

Zum Menü

Wortgewandter Scharfsinn


Max Goldt las in der vollbesetzten Waggonhalle

10.02.2010 (chr)
"Sie werden kaum ertragen, was Ihnen mitgeteilt wird", verkündet Max Goldts neues Buch "Ein Buch namens Zimba". Bei der Lesung des Autors am Dienstag (9. Februar) hatte das Publikum in der bis auf den letzten Platz besetzten Waggonhalle trotzdem einiges zu Lachen.
Denn Max Goldts Texte sind weit mehr als nur Beobachtungen des ganz normalen deutschen Alltagswahnsinns. Pointiert und sprachlich äußerst gewandt macht der Autor darin auf die absurde Seite liebgewonnener Gewohnheiten aufmerksam.
Der erste Text des Abends stellte gleich die Frage, ob Snobismus im Gegensatz zu Sodbrennen nicht ganz in Ordnung sei. Statt sich jeden Morgen im Hotel ein Magenbrennen verursachendes "aggressives Getränke-Doppel" aus Orangensaft und Kaffee einzuverleiben, solle der Mensch lieber wieder etwas dem gesunden Snobismus frönen.
"Strebsamkeit und Ehrgeiz sind genauso gute Weltmotoren wie die Liebe!" Für soviel moralische Eleganz gab es neben lautem Gelächter auch viel Applaus.
Anschließend erläuterte Goldt, warum Zahnpasta seiner Meinung nach auch bei Flughafen-Kontrollen keine "streichfähige Flüssigkeit" darstelle. Wie er in einem Monolog diese Vorschrift vor einem imaginären Kontrolleur ad absurdum führte, war an Komik kaum zu überbieten.
Kein noch so banaler Punkt des täglichen Lebens entzog sich Goldts Beobachtungsgabe. Die dehydrierende Wirkung von Kaffee etwa lässt sich demnach durch Trampolin-Springen widerlegen.
"Sie werden hören, dass es gluckert." Diese gut gesetzten Pointen sorgten für viel Heiterkeit beim intellektuell aufgeschlossenen Publikum.
Dazu trug auch Goldts Fähigkeit bei, mit verschiedenen Tonfällen und verstellten Stimmen seinen Texten Leben einzuhauchen. Die süffisant verschachtelten Wortbasteleien bekamen so die Qualität tiefgründiger Abhandlungen über das menschliche Dasein.
Ein "kleiner Diskurs über kleines Gepäck" etwa beleuchtete minutiös die Vorteile der gewöhnlichen Umhängetasche von der Bronzezeit bis heute. Nichts sei praktischer, um jeden Menschen sein überall vorhandenes "Zeug" verstauen zu lassen.
Gleichzeitig prangerte der Autor gekonnt gesellschaftliche Fehlentwicklungen und Missstände an. Mit provokanten Überschriften wie "Schon wieder haben menschliche Wesen einen Busfahrer mit Messern verletzt" mokierte sich Goldt über falsche Political Correctness. Auch die "virtuose urbane Ignorierungskunst" gegenüber Obdachlosen thematisierte er bei allem Wortwitz schonungslos.
Allseits propagierte Schönheitsideale parodierte Goldt mit einem Dialog zwischen einer Frau mit "Baumkuchenfigur" und einem Mann "mit lauter roten Pünktchen auf den Armen". Beide versuchen, sich gegenseitig in ihrer Unattraktivität zu übertrumpfen.
Was Goldt in Worte fasst, hat zwar manch einer mitunter selbst schon einmal beobachtet. In einer Zeit, in der jeder ungefragt seine Meinung über Blogs und Foren verbreitet, ist er jedoch jemand, der wirklich etwas zu sagen hat.
Denn selten geschieht das mit soviel Einfallsreichtum, Scharfsinn und Wortwitz. Derlei Mitteilungen lassen sich sehr wohl öfter ertragen.
Christian Haas
Text 3426 groß anzeigen

www.marburgnews.de

© 2017 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg