09.02.2010 (fjh)
"Wir hatten Schlimmeres befürchtet", erklärte Andrea Martin. Angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise hatte die Leiterin des KreisJobCenters (KJC) bei den Arbeitslosenzahlen mit Steigerungsraten von 20 bis 25 Prozent gerechnet. Im Vergleich dazu ist das KJC ausgesprochen gut weggekommen.
Die Jahresbilanz des KJC für 2009 zogen KJC-Leiterin Martin, Landrat Robert Fischbach und Erster Kreisbeigeordneter Dr. Karsten McGovern am Dienstag (9. Februar) im Kreishaus. Sie alle äußerten sich zufrieden mit den Ergebnissen.
Die Krise habe sich vor allem bei der Integration Erwerbsloser in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung niedergeschlagen. Hier verzeichnete das KJC einen Rückgang um 557 Vermittlungen. Das war ein Rückgang um 18,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Stärker angestiegen ist nach Angaben des KJC hingegen die Vermittlung auf sogenannte "Mini-Jobs" mit einer Steigerung um 5,6 Prozent. 1.312 Menschen hat das KJC im Jahr 2009 derartige Stellen mit einer Bezahlung von weniger als 400 Euro monatlich vermittelt.
250 junge Menschen hat das KJC im Jahr 2009 in eine betriebliche Ausbildung vermittelt. Waren es 2008 noch insgesamt 299 Vermittlungen in Ausbildung gewesen, so liegt das nach Fischbachs Angaben vor allem daran, dass deutlich weniger junge Menschen beim KJC nach einem Ausbildungsplatz gesucht haben.
Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Der Bestand im Dezember 2009 beläuft sich auf 7.638 Bedarfsgemeinschaften. Das Niveau von 7.230 im Dezember 2008 wurde um 5,6 Prozent überschritten. Bei den erwerbsfähigen Hilfeberechtigten verzeichnet das KJC im Vergleich der Monate Dezember 2009 mit 10.537 Personen zu 9.842 Menschen im Dezember 2008 einen Anstieg um 7,1 Prozent.
Gegengesteuert gegen die drohenden Auswirkungen der Wirtschaftskrise hat das KJC vor allem durch eine vermehrte Bereitstellung von Qualifizierungsmaßnahmen. Wurden im Jahr 2008 noch 3.755 Personen in solche Maßnahmen gesteckt, so ist die Zahl 2009 auf 5.764 gestiegen.
Um den erwarteten Ansturm zusätzlicher Erwerbsloser rechtzeitig abzupuffern, hat das KJC mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket 2 insgesamt elf zusätzliche Fallmanager vorübergehend eingestellt. Aus dieser Gruppe wurden die qualifiziertesten hinterher auf längere Dauer übernommen.
Es sei eine richtige Entscheidung gewesen, für eine Zuständigkeit des Landkreises in Sachen Hartz IV zu optieren, erklärte der Landrat. Nicht zuletzt wegen der kurzen Wege zu Arbeitgebern und zu den Betroffenen liege der
Landkreis Marburg-Biedenkopf im Vergleich der zuständigen Behörden in Hessen auf einem hervorragenden Platz.
Enttäuscht zeigten sich die Politiker allerdings über die Absenkung der Zuweisungen des Bundes an die Kommunen. Ursprünglich habe der Bund den Kommunen versprochen, dass sie nach der Einführung von Hartz IV nicht schlechter dastehen würden. Dieses Versprechen habe er aber nicht gehalten.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstagmorgen bewerteten die beiden Politiker als positiv. McGovern kommentierte die darin geforderte Korrektur mit der Bemerkung, dass die Regelsätze "gottseidank jetzt angehoben werden" müssten.
Auch die Diskussionen innerhalb der CDU auf Bundesebene, wie mit einer früheren Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts zu den Arbeitsgemeinschaften (ArGen) aus Bundesagentur für Arbeit (BA) und Kommunen verfahren werden solle, kam bei Fischbach und McGovern gut an. Schließlich trete die CDU nun dafür ein, gleichzeitig mit einer geplanten Verfassungsänderung auch die Option von Kommunen festzuschreiben, die Langzeit-Arbeitslosen aus einer Hand selbst zu betreuen.
"Der Deutsche Landkreistag hat eine Umfrage dazu durchgeführt", berichtete Fischbach. "Von 451 befragten Kommunen würden rund 250 optieren, wenn sie könnten."
"Wir kennen unsere Kunden", erklärte Martin. Bei der Arbeit des KJC stehe der Mensch im Mittelpunkt, erklärte ihr Stellvertreter Joachim Hikade.
Die KJC-Leiterin beschrieb Fälle, in denen Erwerbslose nach der Meldung beim KJC innerhalb weniger Tage wieder eine neue Stelle vermittelt bekommen hätten. Ebenso nannte sie Beispiele, wo nach Eingang einer Stellenausschreibung noch am selben Tag Vorstellungsgespräche mit Bewerbern geführt wurden, die das KJC schnell angerufen hatte.
Um die Arbeit der Fallmanager im KJC möglichst effektiv zu gestalten, habe man leistungsfähige Strukturen eingeführt. Außerdem werden die Mitarbeiter sowohl in Rechtsfragen wie auch im richtigen Umgang mit Erwerbslosen geschult.
Dennoch muss sich auch das KJC mit schwierigen Personen auseinandersetzen. Die Sanktionsquote liege hier bei 1,5 Prozent der Kunden, berichtete Martin auf Nachfrage. Diese Zahl liege nicht über dem Durchschnitt anderer Kommunen und ArGen.
Dank der größeren Unabhängigkeit von Weisungen der BA in Nürnberg sei das KJC aber viel flexibler als die ArGen, bekräftigten Fischbach und McGovern. Ein Beispiel dafür nannte Martin mit der sogenannten "JobAkademie". Sie sei 2009 mit dem "Service" und der Erstberatung zu einem gemeinsamen Team zusammengeschlossen worden.
Als Erfolg bewertete die KJC-Juristin Carmen Gebhard auch die schnelle Reaktion ihrer Behörde auf die Erhöhung des Kindergelds zum 1. Januar 2010. Erst kurz vor Weihnachten habe sie erfahren, wie die Regelung genau aussehe. Dennoch habe das KJC durch schnelle Anpassung bis Anfang Januar verhindern können, dass zu Jahresbeginn zu viel Geld ausgezahlt wurde, das dann – wie bundesweit geschehen – im Nachhinein wieder hätte zurückgefordert werden müssen.
Für 2010 kündigte Hikade verstärkte Anstrengungen des KJCC an, geeignete Erwerbslose für qualifizierte Facharbeiter-Berufe zu interessieren. Martin skizzierte ein Programm, das neben einer Qualifizierung von Müttern auch eine Unterstützung ihrer Kinder bei der Bewältigung von Schulproblemen ermöglichen soll.
Franz-Josef Hanke
Text 3425 groß anzeigenwww.marburgnews.de