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Nordlichter-Jiddisch


Klezmer-Power mit den Chuzpenics

24.03.2008 (jnl)
Marburg zählt offenbar zu den Klezmer-Hochburgen. Unabhängig voneinander waren innerhalb vierzehn Tagen drei ganz unterschiedliche Jiddisch-Konzerte alle gut besucht.
Die Kieler Formation "Di Chuzpenics" trat am Ostersonntag (23. März) in der Waggonhalle auf. Die fünf Gruppenmitglieder sind allesamt Deutsche, die sich in dieses Musikgenre verliebten. Der Erfolg beim Publikum gab ihnen recht. Laut eigener Zählung sind sie bereits zum sechsten Mal vor Ort.
Der Name "Chuzpenics" bedeutet soviel wie "Die Tollkühnen" oder "Unverfrorenen". Er leitet sich direkt ab aus dem in die deutsche Sprache übernommenen jiddischen Wort "Chuzpe". Wer Chuzpe hat, traut sich etwas zu tun, das die meisten Leute nicht täten.
Nomen ist nicht Omen. Der Bandname ist angenehm selbstironisch und klingt auch gut. Hier sind keine musikalischen Dilettanten unterwegs. Auf der aktuellen Tournee stellen die Nordlichter ihr im Vormonat erschienenes viertes Album "Glik" vor.
Das titelgebende Traditional erzählt von einem Menschen, der "Glik" (Glück) erlebt, als es zu spät dafür ist. Trotzdem ist es gut. Das Leben ist halt gelegentlich paradox. Die Klezmer-Texte bilden das ab.
Die meisten der an diesem Abend gespielten Lieder sind Traditionals und handeln vom Glück im Unglück und im Borscht und von der Liebe. Der herausragende Sänger Martin W. Luth brachte ein putzmunter artikuliertes Jiddisch zu Gehör. Seine ausgeprägte Mimik dabei war ebenfalls bemerkenswert.
Optisch dominierten zwei starke Frauen das Bühnengeschehen. Die auffällig tätowierte Geigerin Jule Schwarz und die großartige Oboistin Christine von Bülow sind die instrumentalen Soloisten der Combo. Bülow spielte darüber hinaus noch ein wundervoll klingendes Englischhorn und übernahm die Zwischenansagen.
Die Soundbasis war bei Martin Quetsche am Akkordeon und Kay Krügel am Kontrabass in guten Händen. Der schwergewichtige junge Bassmann überraschte darüber hinaus mit Einfällen und einer tollen Gesangsstimme in Bass-Tonlage.
Ungewöhnlich war, dass die fünf auf Monitorboxen und Kabel auf der Bühne einfach verzichteten. Das Ergebnis konnte sich allemal hören lassen. Das geht tatsächlich. Mehrere der Musiker unternahmen gelegentlich mit Instrument Ausflüge in die Tiefen des Zuschauerraums. Der übliche Guckkasten wurde dadurch wie bei einem Straßentheater ausgehebelt.
Ein paar wenige der aufgeführten Stücke waren Eigenkompositionen. Sie ließen aufhorchen und wünschen, dass da künftig mehr kommt. Der wunderschöne "Aubrook Walts" ist eigentlich gar kein Walzer sondern ein Zwiefacher-Tanz. Der Ortsname ist eine verwunschene Wagenburg-Siedlung am Rande Kiels.
Die Mittdreißiger aus der nördlichen Landeshauptstadt haben sich mit den Chuzpenics ein schönes, erfolgreiches "Spielbein" geschaffen. Nebenbei müssen wohl alle ein ökonomisches "Standbein" pflegen, zum Beispiel als Musiklehrer malochen. Ihre lockere, beschwingte Art als Combo machte aber auf jeden Fall Appetit auf weiter Live-Auftritte in nicht allzu ferner Zukunft.
Jürgen Neitzel
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