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Unbekannte Eugenik


Verfassungsgericht wertet Behinderung als Gefahr

20.03.2008 (nur)
Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts zur Eugenik bemängelt die Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung (BVLH). In seinem Beschluss vom Dienstag (26. Februar) hatte der Zweite Senat mehrheitlich festgestellt, dass die Vorschrift in Paragraf 173 des Strafgesetzbuchs (StGB) mit dem Grundgesetz vereinbar sei.
Zur Begründung eines Verbots des sogenannten "Geschwister-Inzests" verwies das Gericht unter anderem auf "eugenische Gesichtspunkte" des Gesetzgebers. Das strafbewehrte Inzest-Verbot könne - unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Erbschäden - nicht als irrational angesehen werden.
"Die ergänzende Heranziehung dieses Gesichtspunktes zur Rechtfertigung der Strafbarkeit des Inzests ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil er historisch für die Entrechtung von Menschen mit Erbkrankheiten missbraucht worden ist", heißt es wörtlich im Urteil.
Der BVLH-Vorsitzende Robert Antretter erklärte, es sei nicht Aufgabe der Lebenshilfe, sich zum "Für und Wider" der Strafbarkeit des Geschwister-Inzests zu äußern. Er kritisierte jedoch die zitierte Passage als "bedenklich oberflächlich". Außerdem beklagte er den Mangel notwendiger Erläuterungen.
Bei allem Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht müsse die Frage erlaubt sein, ob solch ein wertungs- und begründungsfreier Hinweis auf "eugenische Gesichtspunkte" stehen gelassen werden könne.
"Das Bundesverfassungsgericht hat an dieser Stelle mangels eindeutiger Erläuterungen eine bedauerliche Lücke gelassen", meinte Antretter.
Er stellte sich die Frage, wie sich diese Äußerung auf Menschen auswirke, die Träger einer vererbbaren Krankheit oder Beeinträchtigung sind.
Zu Recht habe demgegenüber Vizepräsident Prof. Dr. Winfried Hassemer in seinem abweichenden Votum darauf hingewiesen, dass eine Berücksichtigung "eugenischer Gesichtspunkte" auf keinen verfassungsrechtlich legitimen Zweck zu stützen sei.
Die angedeutete "Gefahr" der Geburt eines behinderten Kindes laufe danach auf eine "Verneinung des Lebensrechts behinderter Kinder allein aus lebenskonträren Interessen und Fiskalbelangen anderer hinaus".

Der Senatsmehrheit müsse deshalb vorgehalten werden, sich mit diesen wichtigen Fragen nicht auseinandergesetzt zu haben, sagte Antretter abschließend.
pm: Bundesvereinigung Lebenshilfe
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