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Singender Kritiker


Hagen Rether brillierte mit bissigem Kabarett

22.11.2009 (fjh)
"Sie sind ja immer noch da!" Mit diesem Ausruf wandte sich Hagen Rether am Samstag (21. November) nach drei Stunden Kabarettprogramm in der Marburger Stadthalle an sein Publikum. Doch selbst da war sein Auftritt noch lange nicht zu Ende!
Dreieinhalb Stunden lang begeisterte Rether im Rahmen des Marburger Kabarettherbsts am Samstagabend das Publikum in der überfüllten Stadthalle. Mit messerscharfer Kritik und bissigem Witz fesselte er die Zuschauenden, ohne dass es auch nur eine Sekunde lang langweilig geworden wäre.
"Woher kommen Sie? Sind Sie aus Marburg?" Zu Beginn ließ er die Gäste in den vorderen Reihen sagen, woher sie gekommen waren. Erstaunlicherweise waren auch Besucher aus Gießen, Butzbach oder Korbach angereist, neben denen andere auch Marburger Stadtteile wie Wehrda oder ockershausen nannten.
Nach dieser lokalpolitischen Eröffnung begab sich der Wahl-Essener in die Niederungen der Weltpolitik. Beinahe beiläufig servierte er seine Pointen über die Lebensmittel der Menschen in Südamerika,mit denen die Europäer ihre Autos tanken oder die Empörung in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) zur Olympiade 1980 in Moskau, als ein Boykott-Aufruf damit begründet wurde, dass "die Russen in Afghanistan stehen".
Rether empörte sich darüber, dass Linken-Vorsitzender Oskar Lafontaine immer als "Populist" oder "Demagoge" beschimpft werde, wo doch fast jeder Spitzenpolitiker ein Populist oder Demagoge sei. Das gelte auch für Barack Obama: "Gottseidank ist er ein Populist! Sonst wäre er nicht da, wo er jetzt ist!"
Er selbst habe bei der letzten Bundestagswahl SPD gewählt, erklärte der 40-jährige Kabarettist. Er halte es halt mit den Schwachen.
"Demokratie bedeutet doch, dass man wählen kann, wer einen verarscht", definierte der in Bukarest geborene Musiker bissig. Anhand zahlreicher Beispiele zeigte er auf, wie Politiker das Volk für dumm verkaufen.
Schlimmer sei nur noch die katholische Kirche, meinte Rether. "Früher waren die katholischen Geistlichen die Einzigen, die lesen und schreiben konnten", erklärte er. "Viele von ihnen glauben anscheinend, dass es immer noch so ist."
Mit einem Reinigungsmittel und einem Tuch machte sich Rether daran, den Konzertflügel auf der Bühne auf Hochglanz zu polieren, während er ganz nebenbei seine treffsicheren Pointen abschoss. Manchmal lössten sie schallendes Gelächter oder donnernde Beifallsstürme aus. Manchmal blieb einem das Lachen aber auch vor Bitternis im Halse stecken.
"Frauen" hatte Rether seine Parodie auf Herbert Grönemeiers "Männer" benannt. In bravourös gekonnter Imitation ahmte er dabei den Gesangsstil des Bochumers nach, wobei er im Text aber gekonnt die gesellschaftliche Benachteiligung des weiblichen Geschlechts geißelte.
Nach eindreiviertel Stunden gab es eine Pause. Danach machte der musikalische Polit-Kabarettist weiter. Er regte sich darüber auf, dass Frauen in einigen Ländern Kopftücher tragen müssen, während sie sie anderswo nicht ragen dürfen. "Haben wir keine anderen Probleme?"
Einer seiner häufigsten Sätze war: "Aber was rege ich mich auf!" Mehrmals vermittelte er bekannte Informationen auch mit dem Zusatz: "Ich glaube, das hat die CIA herausgefunden."
Am Ende toppte Rether seine Grönemeier-Karikatur noch mit einer gekonnten Michael-Jackson-Parodie. Danach sprach er bittere Wahrheiten aus, die er mit einer gekonnten Jazz-Improvisation über das Thema "Sah ein Knab ein Röslein stehn", mit Ludwig van Beethovens "Freude schöner Götterfunken" und zuletzt mit "Schlaf, Kindlein schlaf!" begleitete.
Dieser Kabarettist brillierte nicht nur mit feinsinnigem Wortwitz, politischem Biss und ironischer Schärfe sowie politischem Hintersinn, sondern auch mit einer musikalischen Virtuosität von herausragender Klasse. Zum Ende des dreieinhalbstündigen Programms spendete das Publikum ihm deswegen zu Recht minutenlangen donnernden Applaus, begeisterte "Bravo"-Rufe und stehende Ovationen.
Franz-Josef Hanke
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