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Nichts für Tanzmuffel


Russen-Band Dobra Notch begeisterte

13.03.2008 (jnl)
Vergessen Sie alle vermeintlichen Gewissheiten über "ostjiddische Hochzeitsmusik"! Russischer Balkan-Klezmer klingt vitaler, ursprünglicher. Die Sankt Petersburger Band "Dobra Notch" brachte am Mittwoch (12. März) im G-Werk nicht nur das studentische Publikum massenhaft zum Tanzen.
Die fünfköpfige Gruppe bestand aus Bandleader und Frontmann Mitja Khramtsov an der Geige, Andrej Sapkevic am Akkordeon, Eugeni Leka Lizin an Cimbalon und Schlagwerk, dem Libanesen Osama Shakhin an der Darabuka und Alexej Stepanov an der Bass-Tuba. Jeder von ihnen erwies sich als exzellenter Instrumentalist und Live-Musiker.
Bereits beim zweiten Stück hatten die Fünfie Hälfte des Publikums zum Beineschwingen verführt. Gegen Ende des Konzerts tanzten mehr oder weniger alle im Saal. Bis auf ein paar notorische Bewegungsmuffel am Rande konnte sich keiner der Kraft der emotional packenden Musik entziehen.
Ausgerechnet der - anstelle eines Kontrabassisten eine mächtige Tuba blasende - Alexej Stepanov verblüffte mit seinem akzentreichen und kraftvollen Sound. Man hätte ihn gerne mal in einer Jazz-Combo gehört. Denn er bot weit mehr als den grundierenden Rhythmus-Teppich eines Begleit-Instrumentalisten.
Auch der überaus frisch und leidenschaftlich aufspielende Eugeni Leka Lizin bot ein Fest für die Ohren. Sein Cimbalon fügte dem Hörerlebnis von "Dobra Notch" eine exotische Klangfarbe hinzu.
Das Cimbalon ist seit dem 19. Jahrhundert ein charakteristisches Instrument nicht nur von Zigeuner-Kapellen des Balkans. Es ist auch unter den Namen "Hammer Dulcimer" oder "Hackbrett" bekannt.
Immer wenn er genug vom Sitzen hatte, wechselte Lizin an die stehend gespielte Percussion aus Trommel und Becken. Darin löste ihn gelegentlich der gepfefferte Darabuka-Spieler Shakhin ab.
In der Bühnenmitte zog Andrej Sapkevic am Knopf-Akkordeon alle Register. In sehr rhythmisch betonter Spielweise erzeugte er weite Melodiebögen.
Von links beherrschte Mitja Khramtsov mit seiner virtuos aufspielenden Geige, markant jiddischem und russischem Gesang und Ansagen in mehreren Sprachen die Spielfläche. Mehrmals entzückte er durch unerwartete Einfälle und Klangvariationen.
Sein lautstarkes Zupf-Intro beispielsweise hätte man eventuell von Nigel Kennedy erwartet. Die ganze Band machte mit, als ein Stück mittendrin im Konzert - quasi a capella - nur durch Klangerzeugung mit den Mündern vorgeführt wurde.
Außer historischen jiddischen Quellen hörte man neben Roma-Traditionals auch moldawische, arabische und rumänische Einflüsse.
Besonders zu loben ist auch, dass auf das allzu "süß" Überzuckerte des jiddischen Gesangs, wie ihn viele westliche Klezmer-Musiker pflegen, verzichtet wurde. Jene hochgradig sentimentalische Spielweise mag besonders Senioren gefallen.
Die wilde Mischung aus Klezmer-Traditionals und Balkan-Speedfolk, wie sie Dobra Notch verkörperte, ist viel lebendiger und näher an den Ursprüngen. Das mehrheitlich studentische Publikum fuhr auf diesen akustischen Wirbelsturm total ab.
Die G-Werker haben mal wieder einen tollen Geheimtipp nach Marburg geholt. "Dobra Notch" heißt übrigens auf Russisch "Gute Nacht". Ein Wiedersehen würde Freude machen.
Jürgen Neitzel
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