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Nedden warnte


Handys sind wie elektronische Fußfesseln

28.10.2009 (fjh)
"Handys sind wie Elektronische Fußfesseln." Seinen überspitzt erscheinenden Vergleich begründete Burckhard Nedden am Dienstag (28. Oktober) im Hörsaalgebäude der Philipps-Universität. Eingeladen zu seinem Vortrag unter dem Titel "Ich habe doch nichts zu verbergen, oder?" hatten den ehemaligen niedersächsischen Landesbeauftragten für Datenschutz die Humanistische Union (HU) und das Zentrum für Konfliktforschung (ZfK) der Philipps-Universität.
Anhand alltäglicher Verrichtungen skizzierte Nedden die vielfältigen Vorgänge, bei denen Daten über die Bürgerinnen und Bürger erhoben werden. Wer beispielsweise telefoniert, der hinterlässt damit eine Datenspur, die die Ermittlungsbehörden mindestens sechs Monate lang nachvollziehen können. Denn durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorratsdatenspeicherung ist jeder Telefon-Anbieter verpflichtet, alle Verbindungsdaten mindestens sechs Monate lang aufzuheben.
"Wir Datenschützer haben ernste Bedenken bei jeder großen Datensammlung, die irgendwo besteht", erklärte Nedden. Denn nach allgemeiner Erfahrung sei es nur eine Frage der Zeit, bis sie gehackt wird oder Informationen daraus anderswo auftauchen.
Wenn sich ein Handy-Nutzer mit seinem eingeschalteten Gerät von einer Funkzelle zur nächsten bewegt, entsteht dadurch ein engmaschiges Bewegungsprofil der Nutzer von Mobiltelefonen.
Daneben umfasst die Vorratsdatenspeicherung auch alle Verbindungsdaten im Internet sowie Informationen über verschickte e-Mails.
Eindringlich warnte Nedden vor der schier grenzenlosen Daten-Sammelwut der Privatwirtschaft. Preisausschreiben oder auch die meisten Kundenkarten dienten nur dazu, Informationen über mögliche Konsumenten zu gewinnen. Diese Informationen werden häufig auch an andere Interessenten weiterverkauft.
Problematisch sei vor Allem die Anhäufung solcher Kenntnisse. Sie ermögliche es der Wirtschaft, ein umfassendes Bild über einen Menschen und sein Kaufverhalten zu gewinnen.
Bei einem Einkauf hinterlässt der Kunde vor allem dann Datenspuren, wenn er mit Scheck-, Kredit- oder Kundenkarte bezahlt. Problematisch werde das in Verbindung mit dem Einsatz sogenannter RFID-Chips. Dabei handelt es sich um winzige Chips, die an die Ware geklebt sind. Mit Funksignalen übermitteln sie die auf ihnen abgespeicherten Informationen berührungslos an entsprechende Lesegeräte.
War der Strichcode auf Waren früher nur einzelnen Warengruppen wie Tomatensuppe einer bestimmten Marke zugeordnet, so erhält jeder einzelne RFID-Chip eine eigene Nummer. Bezahle man Schuhe mit einer Kredit- oder Kundenkarte, so könne man mit Hilfe der RFID-Technik hinterher ein Bewegungsprofil des betreffenden Käufers erstellen.
Hinzu kommt die Video-Überwachung. Nicht nur auf öffentlichen Plätzen oder in U-Bahnstationen wird flächendeckend gefilmt, sondern häufig auch in Geschäften, Diskotheken oder Hotels. Webcams übertragen derartige Bilder auch ins Internet, wo jeder dann sehen kann, wer sich gerade vor der Kamera vorbeibewegt.
Ohnehin gaukelten die Kameras nur eine zweifelhafte Sicherheit vor. In Hannover hätten Fahrgäste schon tatenlos bei Vorkommnissen zugeschaut, weil sie wegen der Überwachungskameras fälschlicherweise eine umgehende Intervention der Zuständigen erwartet hätten.
Ein weiteres Problem sei das sogenannte "Scoring", erklärte Nedden. Bei Einkäufen im Internet, aber auch beim Eröffnen eines Bankkontos oder der Beantragung eines Kredits würden häufig Anfragen an sogenannte "Scoring-Agenturen" gestellt.
Sie bewerten den jeweiligen Kunden anhand von durchaus zweifelhaften Daten wie beispielsweise der Zuordnung seiner Adresse zu einem eher gutbürgerlichen oder eher randständigen Wohngebiet. In aller Regel erfahre der Kunde von dieser Prüfung nichts. Zudem fehle jegliche Transparenz, welche Kriterien für die Zusage oder Ablehnung eines Kredits, eines Geschäfts oder für die Verweigerung der Bezahlung auf Rechnung ausschlaggebend waren.
Mit steigenden technischen Möglichkeiten einer Speicherung gehe auch eine immer größere Sammelwut einher. Dabei sieht der Datenschützer die Begründung staatlicher Datensammlungen mit der Gefahr terroristischer Anschläge nicht als stichhaltig an. Viele der damit begründeten Maßnahmen könnten intelligente Täter relativ leicht umgehen.
Aber auch der Bürger sollte sich nach Neddens Auffassung vor allzu freigebiger Übermittlung persönlicher Daten schützen. Man sollte in der Regel nicht an Preisausschreiben oder Umfragen teilnehmen, riet der Datenschützer. Wenn man überhaupt Kundenkarten akzeptieren wolle, sollte man sich vor einem Antrag die entsprechenden Geschäftsbedingungen genau durchlesen.
Besonders vorsichtig solle man mit sogenannten "Sozialen Netzwerken" im Internet wie Facebook oder studivz umgehen. Hier fänden Arbeitgeber häufig komprommittierende Fotos von Bewerbern, die sie dann als Grund gegen eine Anstellung des Betreffenden bewerteten.
"Ins Internet sollte man nur Informationen einstellen, die auch der schlimmste Feind wissen darf", riet Nedden. Nur so sei man hinterher vor unangenehmen Überraschungen gefeit.
Franz-Josef Hanke
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