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Gut gefüllt


Bestseller-Autor präsentierte das zweite Leben

18.10.2009 (jnl)
Einer der Superstars der europäischen Schriftsteller kam auf das Marburger Krimi-Festival. Rund 500 Menschen wollten ihn erleben. Die Lutherische Pfarrkirche war gut gefüllt, als der Schwede Hakan Nesser am Samstag (17. Oktober) dort zur Lesung seines aktuellen Romans "Das zweite Leben des Herrn Roos" auftrat.
Ante Waldemar Roos heißt die zentrale Figur im neuen 500-Seiten-Werk des Schweden. Er ist 59 Jahre alt und kaufmännischer Leiter einer kleinen Firma. Mit seinem Leben ist er sehr unzufrieden, bis er den Millionen-Hauptgewinn im Toto gewinnt und damit ein Doppelleben anfängt.
Aus dieser Ausgangslage schlägt Hakan Nesser Funken, indem er ebenso humoristisch wie akkurat die Ereignisse schildert, die ausgerechnet eine 20-jährige Drogensüchtige als neue Freundin diesem griesgrämigen Alltags-Helden einbringt. Denn da ist auch noch ein Ex-Freund der jungen Frau. So beginnt dann erst etwa zur Hälfte des Buchs die Arbeit des Kriminalinspektors Gunnar Barbarotti.
Trotz "zehnjährigen ehrlichen Bemühens" fand der schwedische Star-Autor sein Deutsch noch längst nicht gut genug, um selber die deutsche Fassung vorzutragen. Das übernahm für ihn der Schauspieler Peter Meyer vom Hessischen Landestheater (HLTh). Mit glasklarer Betonung las er drei Passagen aus den Anfangskapiteln.
Dabei machte er sich einen Spaß daraus, nach fremd klingenden schwedischen Ortsangaben mehrfach einen fragenden Seitenblick auf den Urheber neben ihm zu werfen, ob die Intonierung Billigung finde. Das Publikum lachte mit.
Ohnehin stellte sich im Gespräch mit dem Autor das befreiende Lachen als ein zentrales Moment für diesen Schriftsteller dar. "Humor ist die einzige Waffe gegen die Zumutungen der Welt," benannte er ein Motto seines Schaffens.
Geschickt kitzelte die erfahrene Moderatorin und Krimi-Spezialistin Kathrin Fischer vom Hessischen Rundfunk (HR) Statements und Selbstbeschreibungen aus dem zurückhaltenden Schweden heraus. Er habe nie vorgehabt, nach der zehnbändigen Veeteren-Reihe eine weitere Serie anzuschließen.
Dann aber sei der neue Polizei-Ermittler wie herbeigezaubert in seinem Kopf aufgetaucht. Und Barbarotti habe zweifellos eine so facettenreiche Persönlichkeit, dass er wohl fünf Bände für ihn benötigen werde.
Das langsamere Tempo der europäischen Krimis im Vergleich zu den US-Amerikanischen fand Nesser leicht erklärlich. Das liege daran, dass der Abstand zwischen Genre- und Literaturwerken dort deutlich ausgeprägter sei als in Europa.
Seine eigenen Bücher verstehe er auch gar nicht als bloße Krimis. Das "Warum" stehe bei ihm im Zentrum.
In der Fragerunde wollte das Publikum von Nesser wissen, was er denn gemacht habe, bevor er mit 38 Jahren erfolgreich zum Schriftstellerberuf wechselte? Er sei Lehrer gewesen und ein Viel-Leser, antwortete der Autor. Mit 35 Jahren habe er sein erstes eigenes Buch angefangen.
Warum haben gerade die Schweden-Literaten einen so überwältigenden Publikumszuspruch bei den deutschen Lesern? Das müsse wohl daran liegen, dass das "Astrid-Lindgren-Syndrom" wirksam sei. Die Deutschen hätten über Fernsehen und Bücher halt Schweden für eine "Überall-ist-Bullerbü"-Welt gehalten und ins Herz geschlossen. Dieser romantische Blick entspreche zwar nicht der schwedischen Wirklichkeit, sei aber nunmal hochattraktiv.
Hakan Nesser verabschiedete sich mit dem Hinweis, dass im nächsten Frühjahr eine deutschsprachige Verfilmung eines Buches von ihm herauskomme. Außerdem habe er es in Marburg sehr nett gefunden und werde wirklich gerne wiedermal vorbeischauen.
Jürgen Neitzel
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