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Raab trumpft auf


Wiener Humor-Krimi-Autor las im Szenario

09.10.2009 (jnl)
Unbekannte Österreicher sind einen Versuch wert. Der Geheimtipp Thomas Raab erwies sich bei der Vorstellung seines dritten Krimis am Donnerstag (8. Oktober) im Szenario als ein wahrer Charme-Bolzen und Könner. Das nur knapp zwanzig Köpfe umfassende Publikum hatte enorm viel zu lachen, soviel Wortwitz und Komödiantentum prägte diese Lesung im Rahmen des Marburger Krimi-Festivals.
In der Alpenrepublik ist der Humor-Krimi-Spezi Raab längst angesagt, doch in Deutschland kennt ihn noch kaum jemand. Der dritte Band seiner Serie um Willibald Adrian Metzger, den dicken Restaurator mit der detektivischen Spürnase, führt den eingefleischten Großstädter in die ländliche österreichische Provinz. Schließlich gibt es auch hier reichlich Leichen im Keller.
Der Titel "Der Metzger geht fremd" führt erst einmal leicht in die Irre, denn wie der Wiener Autor verschmitzt einwirft, steht fremdgehen halt nicht nur für Seitensprung üben, sondern auch für in die Fremde vorstoßen.
Held Willibald wird von seiner Liebsten, die auf dem Land zur Kur weilt, herbeigerufen, als sie unverhofft auf einen gewaltsam ums Leben Gebrachten stößt. Und diese Leiche bleibt beileibe nicht die einzige. Doch dass Tote auftauchen ist mehr eine genregemäße Beigabe zum prallbunten Sittengemälde österreichischer Zustände.
Es geht durchaus handlungsstark zu in dieser Detektiv-Geschichte. Ein abgezwickter Finger hat noch den Goldring dran. Die beiden Schwarzspitzen-Riffhaie im Aquarium bekommen unverhofft einen frisch Toten zu fressen. Der Ausflug zum Hirzinger Hof führt zur vorübergehenden Entführung des Protagonisten.
Doch die Passagen sind voller Episoden witziger Vorkommnisse und Dialoge. Sogar die beiden Haie bekommen einen urig schrägen Wortwechsel vom Autor spendiert.
Der hochgewachsene, schlaksige 39-jährige Autor ging in fliegenden Wechseln von der Lesung in freie Rede über und zurück. Freundlich und geduldig erläuterte er, warum er den meist bösartigen Wiener "Schmäh" nicht hochschätzt, und dass eine "Düse" auf Österreichisch eine quirlige, einfallsreiche Person meint.
Ein "Nicht"-Mensch, der an einen Satz oft ein Beifall heischendes "nicht?" anfügt , steht sogleich entlarvt da als ein Mensch von übergroßer Neugier und Rechthaberei. Welch hübsche Beobachtungen und Sentenzen Raab gleich zu Dutzenden in seinen Roman-Seiten unterbringt! "Was Du nicht willst, das man Dir tu, das fügt dir jemand anders zu", verfremdet er witzig das bekannte Sprichwort.
Als in der Fragerunde zur Sprache kam, dass er nebenbei auch als Liedermacher bereits drei Alben herausgebracht hat, bat man ihn um eine Kostprobe. Er präsentierte eine kabarettreif vorgetragene stimmige Reihung von Redensarten in zwei Minuten Länge. In seinem früheren Leben als Lehrer für Mathematik, Sport und Musik war nicht soviel Raum zum Kreativen, räumte er ein.
Zur Schriftstellerei ist Raab nach eigener Aussage beinah zufällig gekommen. Ein ziemlich spontaner Versuch erwies sich unvermutet als Volltreffer bei Verlag und Publikum. Und es machte ihm soviel Spaß, dass noch viel nachkommen wird. Sein erster Roman "Der Metzger muss nachsitzen" wurde 2007 doppelt nominiert zum österreichischen Literaturpreis und zum renommierten Glauser-Preis.
Statt in düsteren Klangfarben die Verderbnis der Verbrecher zu erforschen, hält sich dieser Schriftsteller lieber an das sonnige Vergnügen, die Missgeschicke und kleinen Schwächen alltäglicher Personen slapstickhaft - und doch präzis beobachtet - zu schildern. Bloßgestellt wird dabei kaum einer. Die beeindruckende Lebendigkeit seiner Szenen wird ihm noch viel Publikumsgunst eintragen.
Jürgen Neitzel
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