Logo: marburgnewsMobile Marburgnews

Zum Menü

Irrwitziges Intrigenspiel


König Richard überzeugte durch Skrupellosigkeit

04.10.2009 (fjh)
"Ich bin gewillt, ein Bösewicht zu werden." Diese Ankündigung macht Richard von Gloucester in "LEBEN UND TOD KÖNIG RICHARDS III." wahr. Mit einer eigenen Inszenierung des Dramas von William Shakespeare eröffnete Ekkehard Dennewitz am Samstag (3. Oktober) in der Stadthalle seine letzte Spielzeit als Intendant des Hessischen Landestheaters (HLTh).
Den Bühnen-Klassiker über mörderische Intrigen und grenzenlose Machtgier hatte Dennewitz modern und doch zugleich zeitlos inszeniert. Die Bühne war sehr spärlich ausgestattet. Alle Darsteller trugen heutige Kleidung.
Dadurch lenkte die Regie die Aufmerksamkeit des Publikums auf den Inhalt und vor allem die Dialoge und Monologe des machtgierigen Herzogs Richard. Kleine Atempausen gönnte Dennewitz den Zuschauern, indem er eine Band auf der Bühne postiert hatte, die zwischen den Szenen bekannte Musikstücke kurz anspielte.
Leider war die durchaus flotte Musik etwas zu laut. Dadurch könnte der gutgemeinte Versuch, mit diesem poppigen Einfall auch ein jüngeres Publikum ins Theater zu locken, sich als Bumerang erweisen, falls dadurch die alteingesessenen Stammgäste verprellt werden.
Zudem waren die Einspielungen auch zu häufig und teilweise zu lang. Mindestens zehn bis vielleicht gar 15 Minuten Musik trugen mit dazu bei, dass die Inszenierung mit gut dreieinviertel Stunden einschließlich Pause eindeutig zu lang ausfiel. Weniger wäre hier in jeder Hinsicht mehr gewesen.
Grundsätzich aber war die Musik durchaus eine erfreuliche Auflockerung. Bereits vor Beginn spielte die Band auf der Bühne, während das Publikum noch seine Plätze suchte. Dazu tanzten einige Darsteller schon auf der Bühne.
Nach und nach kamen weitere Tanzpaare hinzu. Dann wechselte die Beleuchtung. In der Rolle des Herzogs Richard von Gloucester betrat Markus Klauk im weißen Smoking die Bühne.
"Jetzt" – begann er – "klingelt ein Handy." Groß war das Gelächter über den vergesslichen Besucher, bevor Klauk erneut ansetzte: "Jetzt
Gleich zu Beginn legte er seine durchtriebenen Pläne dar. Sie zielten allein darauf ab, dass Englands Königskrone seinen Kopf zieren sollte. Diesem Ziel standen allerdings noch seine Brüder Eduard (Torsten Stoll) als amtierender König und George von Clarence (Daniel Sempf) Im Wege. Beide mussten also sterben, damit Richard König werden konnte.
Behilflich waren ihm dabei vor allem der Herzog von Buckingham (Stefan Gille) als kaum weniger durchtriebener Berater und Lord Stanley (Thomas Streibig). Zudem bediente er sich einiger williger Handlanger, die für ihn den Mord an seinem Bruder George Clarence und an den Söhnen seines Bruders Heinrich erledigten.
Wilhelm Bendows unvergessenes Kabarettstück "Auf der Rennbahn" stand Pate für die Mord-Szene. Im selben Ton wie Bendows "Ich bin nämlich heute zum ersten Mal auf der Rennbahn" sprachen Thomas Streibig und Stefan Piskorz über ihre Skrupel bei der Bluttat. So konnte man die Ehrlichkeit als Dummheit wahrnehmen, die allerdings vor verlockenden Scheinen einknickt.
Auch Richards Kommentar über die ehemalige Königin Margarete (Uta Eisold) hatte Dennewitz mit einem ähnlichen Gag gewürzt: "Sie ist Witwe, denn der Gatte, den sie hatte, fiel vom Blatte." Durch dieses Zitat aus Heinz Erhardts "Die Made" verharmloste der brutale Richard sein eigenes mörderisches Tun, denn er hatte ihren Gatten König Heinrich Vi. selber umgebracht.
Dafür verfluchte sie ihn mit allem Ekel und allem Hass der Welt. gRandios spielte Eisold diese Rolle, mit der sie beinahe genauso brillierte wie der Hauptdarsteller.
Als Herzog Richard war Klauk ein absolut glaubwürdiges Scheusal. Souverän meisterte er alle Klippen dieser schwierigen Rolle, die ihn am Ende fast im Wahnsinn zittern ließ.
Kaum wesentlich weniger brillierte auch Stefan Gille als Buckingham. Er mutierte glaubwürdig vom harmlosen jungen Herzog zum skrupellosen Intriganten, der seinem machtgierigen Mitstreiter sogar noch Schlachtpläne entwirft. Doch als er nach der Krönung seinen versprochenen Lohn einforderte, ließ Richard ihn im Regen stehen. Mit fliegenden Fahnen wechselte Buckingham daraufhin zum feindlichen Grafen Richmond (Johannes Grabowski) über, dessen Heer Richard schließlich entmachtet.
Auch Jürgen-Helmut Keuchel präsentierte sich als Lord Hastings in Hochform. Seine Entlassung aus dem Gefängnis nimmt König Heinrich kurz vor seinem Tod zum Anlass, alle Adligen zur Versöhnung aufzufordern. Zum Zeichen seiner Zuneigung schenkt Richard jedem daraufhin ein blinkendes rotes Herz wie das am Spiegelslust-Turm.
Insgesamt hat das Ensemble am Premieren-Abend eine gelungene Team-Leistung hingelegt. Lediglich bei den Frauen fehlte es vereinzelt an Lautstärke und Deutlichkeit der Aussprache. Das war aber vor allem der bekanntermaßen schlechten Akustik des Erwin-Piscator-Hauses (EPH) geschuldet, das insgesamt jedoch einen guten Rahmen für die Aufführung bot.
Die Räumlichkeiten der Stadthalle nutzte Dennewitz relativ gut. Mitunter ließ er Schauspieler wie Torsten Stoll als Bürgermeister von London oder Gille als Buckingham vom hinteren Mittelgang aus operieren. Besonders in der Szene, in der Buckingham und der Bürgermeister Richard die Krone antragen, fungierte das Publikum so automatisch als das Volk von London.
Trotz kleiner Mängel kann man Dennewitz und das Ensemble zu dieser Spielzeit-Eröffnung nur beglückwünschen. Die gelungene Umsetzung des Welt-Klassikers belohnte das Publikum nach dreieinviertel Stunden ohne wirkliche Langeweile zu Recht mit langanhaltendem Applaus.
Franz-Josef Hanke
Text 2831 groß anzeigen

www.marburgnews.de

© 2017 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg