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Schwarze Magie


DIN A 13 brachte Behinderte auf die Bühne

29.09.2009 (fjh)
Eine Tänzerin kauert auf der Bühne in einem Labyrinth aus Stoff. Lange verharrt sie so regungslos, während die Besucher ihre Plätze einnehmen. Dann geht das Licht aus.
Musik erklingt. In einer Art "Minimum Music" sind immer wieder die ersten Takte von Ludwig van Beethovens "Mondschein-Sonate" zu hören.
Die Tänzerin bewegt ihre Arme nach oben. Ganz langsam erhebt sie sich dann. Erst jetzt sieht das Publikum ihre dünnen Beine. Die Frau auf der Bühne ist behindert.
Mit "Patterns beyond Traces" gastierte die Tanzkompanie "DIN A 13" am Montag (28. September) in der Waggonhalle. Dieses Stück hatte die Choreografin Gerda König mit einer Tänzerin und vier Tänzern aus Ghana einstudiert. Drei der fünf Akteure auf der Bühne sind gehbehindert.
Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – zeigten sie dem Publikum in der ausverkauften Waggonhalle eine eindrucksvolle "Verkörperung" modernen Tanzes. Dabei überzeugten alle fünf Akteure mit ausdrucksstarken Bewegungen und mitunter fast aktrobatischen Einlagen.
Als die Tänzerin sich erhoben hat, kommt ein zweiter Tänzer hinzu. Zunächst robbt er sich durch das Labyrinth aus Stoff, bevor er die Frau schließlich erreicht. Neben ihr vollführt er dann völlig synchron genau die selben Bewegungen wie sie. Es ist eine Wiederholung der ersten Bewegungsfolge, die nun gedoppelt wird.
Noch dreimal wiederholt sich dieses Schauspiel: Ein Tänzer kommt auf die Bühne, robbt sich über den Boden durch das Labyrinth aus Stoff undvollführt dann neben den anderen auf der Bühne synchron noch einmal die selbe Bewegungsfolge aus.
Der dritte Tänzer ist gehbehindert. Der fünfte Tänzer hat nur ein Bein.
Durch die Synchronität der Bewegungen aller fünf Akteure tritt die Behinderung der Einzelnen jedoch zurück. Alle fünf sind gleich, ob sie nun eine sichtbare Behinderung erkennen lassen oder nicht.
Im Laufe der 75-minütigen Performance wechselt die Musik mehrmals. Einmal ertönt eine Art Hipphopp-Musik, zu der alle fünf einen Rapp in einem Gemisch aus Englisch und einer afrikanischen Sprache vortragen. Dazu ertönt neben der Musik lautes Trommeln.
Blechschalen dienen den Künstlern als Behältnis für Wasser, als Waschschüssel und auch als Trommeln. Einmal vollführen sie einen traditionellen afrikanischen Tanz und singen dazu in ihrer Heimatsprache.
In einer Szene steht der einbeinige Tänzer still auf der Bühne. Ein anderer umtanzt ihn zunächst. Dann versucht er, ihn anzugreifen. Aber seine Schläge erreichen das anvisierte Opfer nicht. Wie an einer unsichtbaren Wand prallen sie vor ihm ab.
Am Ende erklingt wieder Beethovens Mondschein-Sonate als Minimum-Music. Das Stoff-Labyrinth, das die fünf Darsteller zwischenzeitlich eingerollt, zu fünf einzelnen Schleifen aufgeteilt und sich dann jeweils einzeln übergezogen haben, entsteht nun als fünf einzelne Schleifen. Doch jede dieser einzelnen Stoffschleifen berührt an ihrem Rand die nächste leicht.
Berührend war auch das Stück. Minutenlanger begeisterter Apllaus belegte die Begeisterung der Zuschauer. Vor Freude darüber sprang der einbeinige Tänzer in die Luft, was ihm noch einmal zusätzlichen Applaus und begeisterte Jubel-Rufe einbrachte.
Nach einer kurzen Pause präsentierten sich die Kompanie und ihre Choregrafin dem Publikum für dessen Fragen. Nun erfuhren die Besucher noch ein wenig über die Bedeutung des Wassers als rituelle Quelle für Zukunftsentscheidungen nach dem ghanaischen Voodoo-glauben.
"Integration? Wen integrieren?" Diese Frage warf Gustavo Fijalkow als Antwort auf die Frage nach dem Charakter der Kompanie auf. Gerade behinderte würden in Ghana häufig marginalisiert, erklärte der Tour-Manager. In der Tanzkompanie hingegen erlebten sie ein Stück Selbstbestätigung und Normalität, erläuterte einer der behinderten Tänzer.
Normal war das, was die Kompanie am Montagabend in der Waggonhalle präsentierte, aber beileibe nicht. Auch die behinderten Tänzer konnten mit jedem Profi durchaus mithalten.
Das war allerdings kein Wunder. Bei dem Publikumsgespräch erschien die Choreografin im Rollstuhl.
Auch König kennt also die Einschränkung der Bewegungsfreiheit aus eigener Erfahrung. Nicht zuletzt auch dieser Tatsache dürfte die Performance ihre große Ausdruckskraft verdanken.
Franz-Josef Hanke
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