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Dritter Lebensabschnitt


Lebenshilfe verabschiedete Bernhard Conrads in den Ruhestand

18.09.2009 (fjh)
Als "Sozial-Spinner" hatte sein damaliger Chef ihn tituliert, als er seinen gut dotierten Job als Unternehmensberater zugunsten einer Stelle bei der Lebenshilfe aufgab. Diesen Begriff "Sozial-Spinner" habe Dr. Bernhard Conrads in den darauffolgenden 30 Jahren dann aber in ganz anderer Weise wörtlich genommen, meinte der Lebenshilfe-Bundesvorsitzende Robert Antretter: Conrads habe soziale Netzwerke gesponnen und daraus Brücken gebaut.
Nach 30-jähriger Tätigkeit bei der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung (BVLH) scheidet Conrads im September aus seinem Amt als deren Bundesgeschäftsführer. Im Historischen Saal des Marburger Rathauses veranstaltete die Behinderten-Organisation am Freitag (18. September) vor 150 geladenen Gästen eine ergreifende Verabschidung.
Als Erste kamen Behinderte zu Wort, die Conrads als Menschen mit Herz und Verständnis für die Belange der Behinderten würdigten. Immer habe er ein offenes Ohr für sie gehabt, erklärten die beiden behinderten Vertreter aus dem Bundesvorstand der Lebenshilfe.
Ihnen folgte Oberbürgermeister Egon Vaupel, der sich bei Conrads für dessen Arbeit bedankte: Die Lebenshilfe habe den Ruf Marburgs als Stadt mit einem Herz für Behinderte bundesweit und sogar noch darüber hinaus bekannt gemacht. Betrübt sei er nur darüber, dass die Organisation ihren Sitz nach 50 Jahren von Marburg nach Berlin verlagert.
Mehr als 20 Jahre gemeinsamer Arbeit ließ Conrads bisheriger Stellvertreter und künftiger Nachfolger Klaus Lachwitz anschließend in seiner Rede Revue passieren. Dabei erinnerte er an die Auseinandersetzung um die "bio-ethischen" Positionen des australischen Philosophen Peter Singer, die der Lebenshilfe eine Demonstration eingebracht hatten, weil sie den Verfechter des sogenannten "Präferenz-Utilitarismus" nach Marburg eingeladen hatte.
Diese Einladung habe Conrads schnell wieder zurückgenommen. Er habe verstanden, dass Behinderte nicht dulden, wenn jemand über ihr Lebensrecht diskutiert.
Verstanden habe er vor allem auch, die wachsende Bundesvereinigung mit all ihren Orts- und Kreisvereinigungen zusammenzuhalten. Besonders nach der deutschen Wiedervereinigung habe er innerhalb kürzester Zeit den Aufbau einer "Lebenshilfe DDR" vorangetrieben und danach ihren Zusammenschluss mit der Bundesvereinigung in Marburg. Das sei immer in gegenseitigem Respekt mit den Menschen vor Ort geschehen.
In seiner Laudatio würdigte Lebenshilfe-Bundesvorsitzender Antretter den Bundesgeschäftsführer als stets loyalen Kooperationspartner. Immer sei es ihm vornehmlich um die Sache und nicht um die eigene Person gegangen, erklärte Antretter.
Ein besonderes Augenmerk habe er auch auf die Kunst behinderter Menschen gerichtet. Dabei habe auch Conrads ehefrau Doris eine wichtige Rolle gespielt, weil sie als Künstlerin sein Interesse auf diesen Bereich gelenkt hatte.
Ein weiterer Bereich, dem Conrads sich besonders verpflichtet fühle, sei der Behindertensport. So war er Mitbegründer des Verbands Special Olympics, der den Sport von Menschen mit Behinderungen organisiert.
Die Interessen der Menschen mit geistiger Behinderung habe Conrads auch im Vorstand der Aktion Mensch (AM) vertreten, deren Namensänderung von "Aktion Sorgenkind" (AS) hin zur "Aktion Mensch" er maßgeblich mit vorangetrieben habe. Im Weltverband "Inclusion International" repräsentiere Conrads die Lebenshilfe so erfolgreich, dass die internationale Tagung des Weltverbandes im Jahr 2010 in Deutschland stattfindet. Conrads bleibt der Lebenshilfe dabei als Organisator dieser Veranstaltung erhalten.
Zum Abschluss überreichte Antretter dem scheidenden Bundesgeschäftsführer eine Urkunde, mit der Conrads zum Ehrenmitglied der Lebenshilfe ernannt wird. Damit erhält er bis zu seinem Lebensende Sitz und Stimme in der Mitgliederversammlung der Bundesvereinigung.
Gerührt bedankte sich Conrads zum Schluss der Feierstunde bei den vielen Weggefährten, die nach Marburg gekommen waren. "Ich möchte es gerne glauben, was da alles Gutes über mich gesagt wurde", meinte er. Möglich gewesen sei all das aber nur in der Zusammenarbeit mit vielen anderen Menschen.
"Ich habe mich immer für ein Recht auf Unvollkommenheit eingesetzt", erklärte Conrads abschließend. "Dieses Recht muss ich auch für mich und meine Arbeit einfordern."
Franz-Josef Hanke
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