05.01.2008 (sts)
Fritz Rau ist 1930 geboren, genau wie Helmut Kohl. Der ehemalige Bundeskanzler prägte den Ausdruck „von der "Gnade der späten Geburt“. Fritz Rau spricht lieber von der "rechtzeitigen Besatzung durch die Alliierten“.
1945 brach für den - von der Nazi-Ideologie geprägten - Rau eine Welt zusammen. Der Hitler-Diktatur folgte aber eine neue Alleinherrschaft, die Diktatur der Freiheit, die Diktatur der Musik.
"Der Swing hat mich entnazifiziert“, erzählte er am Freitag (4. Januar) in der Jazz-Kneipe "Cavete" vor rund 50 Anwesenden.
Rau hat als Konzert- und Tourneeveranstalter mit den Rolling Stones, Bob Dylan, Jimi Hendrix, Miles Davis, Duke Ellington und vielen, vielen anderen zusammengearbeitet. Doch bis dahin war es für den gebürtigen Pforzheimer ein weiter Weg.
Den Teilnehmern des Jazz-Workshops in Marburg berichtete er von den Anfängen seiner Laufbahn.
Dort stehen vor allem zwei Menschen: Der Jazz-Posaunist Albert Mangelsdorff und der Konzertagent Horst Lippmann.
"Albert Mangelsdorff war für mich ein Gott. Ich wollte unbedingt ein Konzert mit ihm organisieren, hatte als armer Student in Heidelberg aber weder Geld noch eine Ahnung, wie so etwas funktioniert“, sagte Rau rückblickend.
Aber er hatte den unbedingten Willen und den nötigen Elan. Die 1.400 Eintrittskarten für das Konzert in der Heidelberger Stadthalle am 2. Dezember 1955 verkaufte er allesamt selbst, auf der Straße, in Kinos und Straßenbahnen.
Das Konzert wurde ein bahnbrechender Erfolg. Nur der Ansager Fritz Rau erntete miserable Kritiken.
"Ich war unglaublich nervös und habe völlig wirres Zeug geredet. Außerdem konnte ich in meinen viel zu kleinen Schuhen kaum laufen“, berichtete Rau von seinem ersten und gleichzeitig letzten Auftritt als Ansager.
Doch der Enthusiasmus des jungen Rau war auch dem großen Jazz-Promoter Horst Lippmann nicht entgangen. Er engagierte Rau als Kofferträger für die Tournee-Reihe von Norman Ganz. Für Rau ging damit ein Lebenstraum in Erfüllung: "Ich durfte für meine Idole den ganzen Tag rennen und springen.“
1963 schließlich gründeten Lippmann und Rau die gleichnamige Konzertagentur als gleichberechtigte Partner. Den Job als Rechtsanwalt schlug Rau aus: "Ein Anwalt weniger und ein Konzertkarten-Verkäufer mehr haben diesem Land sicher nicht geschadet.“
Seit 2001 arbeitet Rau als unabhängiger Produzent und Tournee-Organisator. Und bis heute treibt ihn eines an: Das Gefühl, ein ausverkauftes Konzert auf die Beine gestellt zu haben. "Ein volles Haus ist der Orgasmus des Veranstalters.“
Stephan Sonntag
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