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Nur eine Nummer


Fließband-Abfertigung im Universitätsklinikum auf den Lahnbergen

07.06.2009 (fjh)
Patienten sind hier nur eine Nummer. Diesen Eindruck jedenfalls erweckt das Universitätsklinikum Gießen und Marburg. Wer das Gebäude auf den Lahnbergen betritt, der muss zunächst eine Nummer ziehen.
Mit dieser Nummer in der Hand humpelt die Patientin an zwei Krücken weiter voran. Hinter einer Theke sitzen zwei freundliche Mitarbeiterinnen. Sie rufen die Nummern nacheinander auf.
Eine geschlagene Viertelstunde dauert es, bis die erste Nummer am Schalter abgefertigt ist. Noch sind weitere drei Nummern vor der Patientin. Der vereinbarte Termin in der Strahlentherapie rückt näher und näher.
Doch trotz der vorherigen Termin-Vereinbarung muss die krebskranke Frau vor dem Schalter warten. Sitzen bereitet ihr Schmerzen. Stehen kann sie auch nicht mehr lange. Doch das kümmert hier anscheinend Keinen.
Endlich ist sie dran. Sie muss ihre Angaben zu Krankenkasse und zur Vorbehandlung machen. Dann wird sie in den Untergrund geschickt.
Im Untergeschoss muss sie erst durch lange Gänge humpeln, bis sie wieder vor einem Schalter steht. Das gleiche Spiel wie zuvor eine Etage höher wiederholt sich.
Dann muss sie noch zu einer besonderen Mitarbeiterin, um ein Formular zu unterschreiben. Als Privatpatientin muss sie versichern, dass sie die Rechnungen zahlen wird. Auch dafür humpelt sie wieder durch einen Gang.
Überall in der Station liegen Bibel-Sprüche aus. Diese Verweise auf die Endlichkeit empfindet die krebskranke Patientin als Zumutung.
Die Wartezeit scheint ihr schier unendlich. Mehr als eine Stunde nach dem vereinbarten Termin sitzt sie schließlich der Ärztin gegenüber.
Wofür verabredet man eigentlich Termine mit Ärzten? Wofür zieht man Nummern?
All das sei den Notwendigkeiten einer effektiven Organisation geschuldet, erläutern die Befürworter dieser Organisationsmethoden. Dergleichen sei nötig, um eine große Klinik wie die auf den Lahnbergen zu betreiben.
Aber es geht auch anders. Gleich nebenan macht die Frauenklinik das vor. Dort sind die Patientinnen keine Nummer. Trotzdem werden Termine dort auf etwa eine Viertelstunde genau eingehalten.
Wenn das Klinikum "Gesundheit" am Fließband produzieren möchte, dann kommen dabei wohl nur mickrige Kleinwagen heraus. Die eleganten Karrossen hingegen werden weitgehend in Handarbeit hergestellt.
Menschen sind keine Nummer. Kranke können dergleichen schon gar nicht vertragen. Das sollten sich die Verantwortlichen des Universitätsklinikums Gießen und Marburg mal merken.
Franz-Josef Hanke
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