21.05.2009 (fjh)
Ein starkes Poliizei-Aufgebot war am Donnerstag (21. Mai) vor dem Hauptbahnhof aufgezogen. Anlässlich des 6. internationalen Kongresses für Psychotherapie und Seelsorge fand in Marburg eine Demonstration gegen Homofobie und religiösen Fundamentalismus statt.
Massenweise strömten die Menschen bereits gegen 10.30 Uhr aus dem Bahnhofsgebäude heraus. Nach Angaben des Polizei-Pressesprechers Gerald Frost haben ungefähr 1.000 Menschen an der Manifestation gegen den evangelikalen Kongress teilgenommen. Tatsächlich dürfte die Zahl um einige Hundert höher liegen.
Wieder und wieder waren Lautsprecher-Durchsagen zu hören. Währenddessen schob sich ein dichtes Knäuel - überwiegend junger - Menschen durch den Tunnel von den Gleisen in die Bahnhofshalle und dann hinaus auf den Vorplatz.
Dort setzte sich der Zug verspätet um 11.45 Uhr in Bewegung. Ihren Verlauf nahm die Demonstration dann durch die Bahnhofstraße, die Elisabethstraße und die Deutschhausstraße in die Biegenstraße, wo es vor dem Hörsaalgebäude zu einer Abschlusskundgebung kam.
Die Veranstaltung war gegen 14.10 Uhr beendet. Nach Angaben der Polizei kam es zu keinerlei Zwischenfällen.
Mit der Forderung "Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus" habe ein breites Spektrum von bundesweit politisch, wissenschaftlich und gesellschaftlich aktiven Gruppen und Einzelpersonen gezeigt, dass pseudowissenschaftliche, diskriminierende Meinungen in öffentlichen Gebäuden nichts zu suchen haben, erklärte Nora Nebenberg vom Marburger Bündnis "Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus“.
Die Kongressveranstalterin "Akademie für Psychotherapie und Seelsorge" vertrete ein christlich-fundamentalistisches Weltbild, in dem die Bibel höchste Autorität in allen Fragen der Lebensführung genieße. Damit legitimiere die Akademie ihre homophobe und sexistische Einstellung, die sie in der Mitte von Gesellschaft, Kirche und Wissenschaftscommunity zu verankern versuche.
"Die Demo heute hat deutlich gemacht, dass erkämpfte Freiheitsrechte für Frauen und Homosexuelle immer wieder gegen ewig Gestrige verteidigt werden müssen", erklärte Nebenberg. "Empörend ist, dass der Magistrat und der Universitätspräsident sich bereitwillig in den Dienst fundamentalistischer Lobby-Arbeit stellen lassen. Im Ergebnis lassen sie so Menschenrechtsverletzungen unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zu. Dagegen richtet sich unser Protest!"
Die Eingänge des Hörsaalgebäudes wurden von Demonstrierenden besetzt. "Die dort angekündigten Veranstaltungen konnten nicht stattfinden“" freute sich Stefanie Petersen vom Bündnis "Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus". "Damit haben wir uns diskriminierenden Veranstaltungen wirksam in den Weg gestellt."
Auch vor der Martin-Luther-Schule, wo das Seminar des Homo-Umpolers Markus Hoffmann von "Wüstenstrom" stattfinden sollte, versammelten sich Kongress-Kritiker und begleiteten den Kongress lautstark mit Trommeln und Sprechchören. Trotz der friedlichen Haltung der Demonstrierenden kam es zu erheblichen Störungen durch Kongressteilnehmer, die Demonstrierende abfotografierten und versuchten, innerhalb der Demonstration zu missionieren.
Auch kam es laut Nebenberg zu gewalttätigen Ausschreitungen seitens der Polizei. Demonstrierende seien von Polizisten zu Boden gestoßen und mit Schlagstöcken angegriffen worden. Das massive Polizei-Aufgebot sowie Ganzkörper-Durchsuchungen im Vorfeld der Demonstration hätten die Proteste ebenso kriminalisiert wie die Demonstrations-Auflagen.
Im Nachgang zur Demonstration überprüfte die Polizei nach Angaben ihres Pressesprechers Jürgen Schlick gegen 15 Uhr in der Biegenstraße an der Ecke zur Wolffstraße zwei Personen. Dabei stellten die Beamten in den von diesen Personen mitgeführten Rucksäcken zwei Fahnen mit vermutlichem PKK-Bezug sicher.
Bei der Überprüfung einer fünfköpfigen Gruppe in der
Savignystraße nahmen die Beamten gegen 15.40 Uhr drei mögliche Vermummungsgegenstände (Sturmhauben) in Verwahrung.
Nebenberg kritisierte das "repressive" Vorgehen der Polizei. Sie kündigte an, dass sie auch "weiter für sexuelle Selbstbestimmung, feministische Befreiung und eine laizistische Gesellschaft auf die Straße gehen" werde.
Franz-Josef Hanke/pm
Text 2226 groß anzeigenwww.marburgnews.de