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Theater mit Typen und Tiefgang


Adams Äpfel feierten Premiere

10.05.2009 (atn)
Bei der Premiere von "Adams Äpfel" am Samstag (9. Mai) wimmelte es endlich einmal wieder von Schauspielern auf der Bühne des Theaters am Schwanhof (TaSch 1). Der gleichnamige Kinofilm des dänischen Drehbuchautors und Regisseurs Anders Thomas Jensen war in der Inszenierung von Uta Eisold zu sehen.
"Adams Äpfel" ist ein sehr junges Werk, das es schnell in die Theater geschafft hat. 2005 kam es in die dänischen und 2006 in die deutschen Kinos. 2008 war es schon erstmals in der Bühnenfassung im Oldenburgischen Staatstheater zu sehen.
Jensen erschuf damit eine nicht immer verständliche - aber sehr unterhaltsame - Auseinandersetzung mit den Grenzen des menschlichen Daseins. Vordergründig geht es in dem Stück aber um eine recht einfache Geschichte.
Ein Neonazi namens Adam kommt nach einem Knast-Aufenthalt in eine - wie auch immer geartete und organisierte - Anstalt. Über diese Anstalt herrscht Pfarrar Ivan, wie es zunächst scheint, mit endloser Güte und unerschütterlichem Verständnis für alles und jeden. Außer Ivan und dann Adam leben in diesem etwas schrägen Idyll ein Trinker names Gunnar und ein arabischer Tankstellenräuber namens Khalid.
Sascha Oliver Bauer als Adam durchschaut sehr bald, dass mit Ivan etwas nicht stimmt. Der schlechte Mensch Adam versucht also, den "Gutmenschen" Ivan herauszufordern. Der Pfarrer - gespielt von Stefan Gille - entpuppt sich während des Stücks in seinem fanatischen Gut-sein-Wollen als viel aggressiver als der Neuankömmling.
Stefan Piskorz und Daniel Sempf spielten mit Gunnar und Khalid zwei sehr lustige oder zumindest belustigende Figuren. Wahrscheinlich hat das Publikum sich selbst gewundert, wie herzlich man über einen Vergewaltiger und einen Mann lachen kann, der mit einem Rucksack voller Kalaschnikows über die Bühne rennt und nach jeder Fliege schießt.
Hintergrundinformationen zu Ivans psychischem und physischem Zustand gibt Doktor Kohlberg, der ja eigentlich gar nicht gern tratscht. Jürgen Helmut Keuchel war diese Rolle wie auf den Leib geschnitten. Sehr überzeugend spielte er den berufsbedingt vollkommen abgestumpften Mediziner, der - frisch aus dem OP kommend - Currywurst in sich hineinstopft und am Ende nur von Ivans unglaublicher Genesung umgehauen wird und das Feld räumt.
Er betreut auch den alten Poul, den Thomas Streibig spielt. Poul hat in seinen jungen Jahren in einem Konzentrationslager gearbeitet und hat aufgrund seiner Schuld Angst vor dem Sterben.
Auch Franziska Knetsch sah man an diesem Abend auf der Bühne. Als Sarah findet auch sie ihren Weg zu den verständnisvollen Ohren Ivans. Sie braucht Rat wegen einer ungewollten Schwangerschaft, denn sie fürchtet, ihr Kind könne nach ihrer jahrelangen Trinksucht nicht gesund zu Welt kommen.
Ivan redet ihr natürlich gut zu, denn er hat selbst einen qietschfidelen Jungen. Es stellt sich jedoch heraus, dass Ivans Sohn Christopher an den Rollstuhl "gefesselt" ist und seine Frau sich deswegen das Leben genommen hat.
"Adams Äpfel" erzählt das harte Schicksal eines sterbenskranken Pfarrers. Mit ausgestrecktem Zeigefinger spürt das Stück sämtliche Stereotypen und Grenzen des Denkens und Urteilens nach. Es bedient Klischees so vollkommen und rücksichtslos, dass man sich hinterher fragt, was übrig bleibt, wenn man nicht zwischen gut und böse trennt, nicht zwischen Gott und Teufel, nicht zwischen früher und jetzt.
Das Hessische Landestheater (HlTh) hat diesen Grenzgang mit sehr viel Engagement und schauspielerischem Können auf die Bühne gebracht. Bemerkenswert war vor allem die Ton-Erichtung von Ronald Strauß, die dem Stück einen bedeutenden Teil seiner Atmosphäre und Wirkung gegeben hat.
Auch das sehr schlichte und wirkungsvolle Bühnenbild wurde effektvoll genutzt. Alle weiteren Gegenstände wurden von den Schauspielern im Spiel auf- und wieder abgebaut.
Hinter den Zuschauern - und für Nackensteife deswegen auch schlecht sichtbar - stand der Apfelbaum. Er war mit einem langen Laufsteg über freie Plätze im Tasch 1 mit der Hauptbühne verbunden. Diese Konstellation erlaubte größere Beweglichkeit. Was jedoch hinter den Zuschauern passierte und dass man sich umzudrehen hatte, war leider manchmal erst zu spät zu bemerken.
Aber vielleicht passt das zu dem gesamten Stück: Dass man sich für Details manchmal verrenken muss. Und was mit dem Hals anfängt, kann ja eventuell mit dem Geist weitergehen.
"Adams Äpfel" regt zumindest dazu an. Und was es eigentlich mit dem Apfel auf sich hat, kann man beim eigenen Theaterbesuch herausfinden.
Anika Trebbin
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