10.04.2009 (fjh)
Homosexualität ist etwas ganz Natürliches. Diese wissenschaftlich belegbare Erkenntnis wollen einige Evangelikale jedoch nicht wahrhaben. An einer
Tagung auch zu diesem Thema entzündet sich nun ein erbitterter Streit.
Verständlich ist dabei die Erregung von Schwulen und Lesben. Wer ihre sexuelle Orientierung als Folge einer therapiebedürftigen Krankheit betrachtet, der tritt damit - vielleicht auch nur unabsichtlich - in die Fußstapfen faschistischer Vorgänger. DIie Verteufelung von Homosexuellen musste in den frühen 40er Jahren als Vorwand für ihre hunderttausendfache Ermordung herhalten.
Deswegen darf niemand in Deutschland solch gefährliche Vorstellungen unwidersprochen stehen lassen. Denn selbst im Tierreich gibt es schwule Paare. Homosexualität ist also beileibe nichts Unnatürliches.
Hinter einer Ablehnung homosexueller Lebensweisen steht unausgesprochen die Vorstellung, natürlich sei nur, was der Fortpflanzung diene. Diese Vorstellung bildet jedoch den Kern jener Ideologie von Zucht, Selektierung und Rassenwahn, die zur Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft millionenfachen Mord für "legitim" erklärt und gnadenlos verwirklicht hat.
Dennoch sind Forderungen nach einem Verbot der umstrittenen Tagung oder nach einer Verweigerung von Räumen dafür der falsche Weg. Viel sinnvoller erscheint der Ansatz eines
Antrags der Marburger Linken (ML) ans Stadtparlament vom Dienstag (7. April). darin fordert die Stadtverordnetenfraktion eine Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern der Verbände von Schwulen und Lesben bei den entsprechenden Podien und Workshops des Kongresses ein.
"Freiheit ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden", warnte vor rund 100 Jahren schon Rosa Luxemburg. Das gilt auch für die Freiheit der Religion.
Welch verschwurbelte Vorstellungen Menschen auch immer haben mögen, man kann sie ihnen nicht verbieten. Aber man sollte sich mit ihnen diskursiv auseinandersetzen.
Insofern stünde es der Stadt Marburg gut an, im Vorfeld des "6. Internationalen Kongresses für Psychotherapie und Seelsorge" eine große Veranstaltung zur Geschichte des mörderischen Umgangs mit Homosexuellen während der Nazi-Zeit und seiner widerwärtigen Fortsetzung danach zu organisieren. Den Bürgerinnen und Bürgern stünde es gut an, ihr Engagement für die Freiheit des Geistes und der sexuellen Orientierung nicht nur durch einen Besuch dieser Veranstaltung zu dokumentieren, sondern es auch im Alltag zu zeigen.
Franz-Josef Hanke
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