Logo: marburgnewsMobile Marburgnews

Zum Menü

Der Bus


Premieren von vier zeitgenössischen Stücken

17.02.2008 (ute)
"In der Welt darf es ungerecht sein, aber nicht in meinem Bus", schreit Busfahrer Hermann die vermeintliche Schwarzfahrerin Erika an. Deswegen legt er ihr auch gleich das Schnitzmesser an den Nacken. Das tut er natürlich nur zum Spaß und, um sie auf die Probe zu stellen.
Das Theaterstück "Der Bus" von dem Schweizerischen Autor Lukas Bärfuss feierte am Samstag (16. Februar) im Theater am Schwanhof (TaSch) zusammen mit drei weiteren Stücken Premiere.
Schon die von Spannung geladene erste Szene deutet den dramatischen Höhepunkt des Stückes an.
Die junge PILGERIN Erika (Regina Leitner) ist auf dem Weg IN DEN POLNISCHEN Wallfahrtsort Tschenstochau, um dort Gottes Auftrag zu erfüllen. Sie steigt allerdings in den falschen Bus ein und gerät in die Hände von Hermann (Nicolas Deutscher) und seiner morbiden Reisegesellschaft (Ulrike Knobloch, Anne Berg und Peter Meyer).
Diese Fahrgäste wollen Erika dem Tankwart und Rapsdiesel-Aktivisten Anton (Daniel Sempf) überlassen. Doch Erika weigert sich. Hermann beschließt daraufhin mit der Billigung seiner Reisegäste, mit ihr in die Berge zu fahren. Dort will er sie töten.
Was skurril und monströs klingt, wurde vom Regisseur Karl Georg Kayser überzeugend in einer zirka 60 Minuten dauernden Aufführung umgesetzt. Das schlichte Bühnenbild lenkte nicht von den „gewalt(tät)igen“ Dialogen ab, in denen Erika von Hermann und den Reisegästen zur Rede gestellt und geprüft wird und in denen sie in ihrer letzten Station auf den betrunkenen Anton trifft.
Gelungen gespielt sind die Charaktere. Als Anton die "Klampfe schlägt" und mit fehlenden Zahn ein Lied anstimmt, ertönt Gelächter aus dem Publikum.
Unbehagen breitet sich dann allerdings in dem dreiviertel gefüllten Zuschauersaal aus, als Hermann dabei ist, das Grab für Erika auszuheben. Aber Erika wendet das Blatt. Sie betet mit Hermann, er löst ihre Fesseln. Sie kann fliehen und findet sich letzten Endes bei Anton wieder. Sie betrinkt sich mit ihm. Derweil verunglückt die morbide Reisegesellschaft. Blutüberströmt torkelt Hermann auf die Bühne. Zu Gott gefunden, bittet er Erika, mit ihr nach Tschenstochau zu gehen.
Doch Erika stößt in zurück. Sie brüllt ihn mit den Worten an, dass sie eigentlich nur eine Drogenhändlerin sei, die über die Grenze wollte, um Stoff zu besorgen.
Kaisers Inszenierung führt gelungen zu dieser "Auflösung" hin. Die Zuschauer waren überrascht und fühlten sich von Erika genauso zurückgestoßen wie von Hermann.
Hatten sie vorher noch auf die Befreiung der jungen Frau gehofft, waren sie nun schockiert. Das Stück endet mit der vermeintlichen Pilgerin, die in Tschenstochau vor der schwarzen Madonna steht, um doch noch ihren Auftrag zu erfüllen.
Kayser und seinem Ensemble ist es überzeugend gelungen, den kritischen Zeitgeist des Stückes einzufangen. Ein nachdenkliches Publikum wurde zurückgelassen.
Im starken Kontrast dazu stand das Stück "Finnisch" von Martin Heckmanns, das sich nach einer kurzen Pause an das erste Stück anschloss.
Hier sinniert ein junger Mann (Sascha Oliver Bauer) darüber, was wohl passieren würde, wenn er ein Paket von einer Postbotin entgegen nähme. Er hat es sich selbst zugeschickt, um die junge Frau kennenzulernen. Die Zuschauer brechen in Gelächter aus, als Bauer auf dem Stuhl steht und - mit einem Rettungsring um den Bauch - ein Lied anstimmt. Belustigend und grotesk-skurril wirken die Versuche des jungen Mannes, mit denen er die Begegnung "erprobt".
Trotz der guten schauspielerischen Leistung Bauers konnte die Inszenierung von David Gerlach das Publikum allerdings nicht so überzeugen wie die vorangegangene. Die Monologe wirkten oft zu fragmentarisch, die Handlung stellte nicht immer einen Bezug zum Text her, so dass der Zuschauer oft alleine gelassen wurde.
Gerade in ihrer Vielfalt sind die Inszenierungen aber in jedem Fall eine gelungene Bereicherung für das Theaterleben in Marburg. Das Team um den Intendanten Ekkehard Dennewitz hat ein gutes Gespür für zeitkritische Theaterstücke bewiesen. Auch das junge, neue Ensemble hat sich bewährt.
Es bleibt nur zu wünschen übrig, dass die Inszenierungen - wie erhofft - viele junge Marburgerinnen und Marburger anziehen werden. Verdient hätten alle Akteure es!
Ute Schneidewindt
Text 193 groß anzeigen

www.marburgnews.de

© 2017 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg