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Geisteswissenschaftler gegen Gleichförmigkeit


Hans Ulrich Gumbrecht neuer Ehrendoktor

16.01.2009 (fjh)
Die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Fremdsprachliche Philologien der Philipps-Universität hat der Romanist Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht erhalten. Bei einem Festakt in der Aula der Alten Universität nahm der Literaturwissenschaftler die Auszeichnung am Donnerstag (15. Januar) aus den Händen von Prof. Dr. Sonja Fielitz als Dekanin des Fachbereichs entgegen.
Der Geehrte gehört zu den großen Romanisten der Gegenwart. "Was wir von Hans Ulrich Gumbrecht gelernt haben, weist Wege aus einer Krise der Geisteswissenschaften", begründete Prof. Dr. Arbogast Schmitt in seiner Laudatio die Auszeichnung für den Literatur- und Kulturwissenschaftler.
Dass Gumbrecht eine Ausnahmeerscheinung in der akademischen Welt ist, zeigt sich schon allein an seiner rasanten wissenschaftlichen Karriere: Nach einem der besten Abitur-Abschlüsse in Bayern studierte der gebürtige Unterfranke Romanistik, Germanistik, Philosophie und Soziologie. Bereits mit 23 Jahren wurde er in Konstanz promoviert. Drei Jahre später habilitierte er sich in Allgemeiner und Romanischer Literaturwissenschaft mit einer Arbeit über die Funktionen parlamentarischer Rhetorik in der französischen Revolution.
Seinen ersten Ruf erhielt Gumbrecht bereits ein Jahr danach an die Universität Bochum. Da er noch zu jung war, um nach deutschem Beamtenrecht zum Professor ernannt zu werden, musste er sich zunächst selbst vertreten, ehe er ordiniert werden konnte. Seit 1989 lehrt der Romanist im US-amerikanischen Stanford.
Gumbrechts Arbeitsschwerpunkte liegen auf den Gebieten der französischen, spanischen und italienischen Literatur insbesondere des Mittelalters sowie des 18. und frühen 20. Jahrhunderts. Hinzu treten fachübergreifende Fragestellungen, die im größeren Horizont von Sozial-, Medien- und Kulturgeschichte stehen.
Das Thema, mit dem man den Namen Gumbrechts in erster Linie verbinde, sei die "Philosophie der Präsenz", führte Schmitt in seiner Laudatio aus. Der Literaturwissenschaftler weise einen Weg aus dem "Dilemma der ewig nachträglichen Reflexion - oder vielleicht sollte man in seinem Sinn richtiger sagen - der cartesianisch-neuzeitlich reflexiven Rationalität."
Die Fähigkeit, Präsenz zu produzieren, beweise Gumbrecht in seinen eigenen kulturwissenschaftlichen Essays, indem er aus vielen Erscheinungen diejenigen auswähle, in denen sich in charakteristischer Weise äußere, wovon die Akteure bewegt sind.
"Sie haben mir heute einen vollkommen schönen Tag bereitet", bekannte der Geehrte anschließend in seinem Festvortrag. Darin skizzierte er unter dem Titel "Die Marburger Geisteswissenschaften im Sommersemester 1926", welche intellektuelle Beziehung ihn mit Marburg verbindet, wo seine Mutter in den 40er Jahren einige Semester Medizin studierte.
"Ich glaube, dass kein Ort auf der Welt das Selbstbild des Menschen im 20. Jahrhundert so sehr geprägt hat wie das provinzielle Marburg", führte er mit Blick auf Martin Heideggers Hauptwerk "Sein und Zeit" aus, das hier entstand. Für den Literaturwissenschaftler ist es dasjenige Werk, "ohne das die Philosophie des 20. Jahrhunderts nicht zu denken ist.“
Er machte eine Reihe von Bedingungen aus, um zu begründen, warum das Werk nur in Marburg habe entstehen können: Vor allem sei es die enge intellektuelle und freundschaftliche Beziehung, die zwischen Heidegger und dem Theologen Rudolf Bultmann bestand. Sie habe nicht die Form einer Konvergenz gehabt, sondern sei voller Spannung gewesen, wie Gumbrecht hervorhob.
pm: Philipps-Universität Marburg
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