11.02.2008 (fjh)
Wann immer das St. Lawrence String Quartett in Marburg auftritt, hat es mit störenden Widrigkeiten zu kämpfen. War es beim
ersten Auftritt der Musiker am 14. November 2005 das lautstarke Läuten der nahe gelegenen Kirche St. Peter und Paul, so störte diesmal ein grippaler Infekt des Ersten Geigers. Doch davon haben sich die vier Weltklasse-Virtuosen am Sonntag (10. Februar) in der Stadthalle nicht beirren lassen.
Zu allem Überfluss begannen sie ihren Auftritt in Marburg sogar noch mit dem überaus schwierigen Streichquartett in C-Dur mit der Opus-Nummer 54 Nr.2 von Joseph Haydn. Im ersten Satz patzte der erkrankte Geiger gleich dreimal. In den Pausen hörte man ihn zudem merklich schnaufen.
Im zweiten Satz fand er dann jedoch allmählich zu seinem Spiel. Langsam liefen die vier Musiker zu ihren gewohnten Höchstleistungen auf.
Haydn gilt als "Erfinder" des Streichquartetts als musikalische Gattung. Seine Stücke verlangen den Musikern aber auch besonders viel Können ab. Diese Kunstfertigkeit bewiesen die vier Nordamerikaner am Sonntagabend mit ihrer Interpretation.
"The Bridal Canopy" lautet der Titel eines Streichquartetts von Jonathan Berger. Der zeitgenössische amerikanische Komponist hat diese Auftragskomposition für das St. Lawrence String Quartet einem Schelmen-Roman des späteren Literatur-Nobelpreisträgers Samuel Josef Agnon aus dem Jahr 1931 nachempfunden. Darin schilderte der Autor die Suche eines Rabbiners nach einem Ehemann für seine Tochter, für die er in die gallizische Heimat der Familie zurückgekehrt war.
Klezmer-Klänge durchziehen die moderne Komposition dann auch immer wieder, werden allerdings auch immer abgeschnitten und gebrochen. Zwischen ihren dramatischen Passagen betörte die Komposition aber auch mit sehr feinfühligen Stellen. Gerade hier spielten die Virtuosen so gekonnt, dass ihre Darbietung das Publikum merklich anrührte.
Für den
Marburger Konzertverein hat das St. Lawrence String Quartett Bergers Werk erst zum zweiten Mal überhaupt öffentlich aufgeführt. Die Welt-Uraufführung der Komposition hatte am 14. Januar 2008 im US-amerikanischen Denver stattgefunden.
Der nordamerikanische St.-Lawrence-Strom als Namensgeber des Streichquartetts kennzeichnet die Zusammensetzung des 1989 gegründeten Ensembles aus je zwei US-amerikanischen und zwei kanadischen Musikern. Inzwischen zählen die vier längst zur internationalen Weltklasse.
Nach einer kurzen Pause präsentierten sie das Streichquartett in G-Dur von Antonin Dvorak mit der Opus-Nummer 106. Ebenso wie bei Haydn beeindruckten sie auch hier durch eine sehr moderne und überzeugende Interpretation. Ihr sensibles und zugleich präzises Spiel machte den gesamten Abend zu einem wahren Hörgenuss.
Ohne Zugabe entließ das begeisterte Publikum die vier Musiker deshalb nicht von der Bühne. Zweimal verlängerten sie daraufhin ihren zweistündigen Auftritt. Dabei bedienten sie sich ebenfalls eines Streichquartetts von Dvorak.
Ein hochzufriedenes Publikum strebte nach diesem gelungenen Konzert wieder heimwärts. Vollkommen wäre diese Freude aber gewesen, wenn die vier Weltklasse-Musiker bei ihrer Programm-Auswahl neben den schwierigen Werken auch wenigstens ein gefälligeres oder bekannteres Stück präsentiert hätten. Das wünscht sich das Marburger Publikum für das nächste Gastspiel des St. Lawrence String Quartetts in Marburg, das dann hoffentlich völlig unbeeinträchtigt verlaufen wird.
Franz-Josef Hanke
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