10.10.2016 (mah)
Nachhaltige Konzepte zur Unterstützung von Flüchtlingen fordert das antirassistische Gruppe
"No Border Marburg". Dazu hat das Netzwerk am Montag (10. Oktober) einen Offenen Brief an den Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies verschickt. Der Brief bezieht Stellung zur Debatte um die Schließung des Flüchtlingscamps in Cappel sowie zur "Asyl- und Integrationsleistung" der
Universitätsstadt Marburg.
Das Netzwerk fordert die Stadt dazu auf, "die Kapazitäten, die für den Ausbau der Notaufnahme freigesetzt wurden, für Asyl- und Integrationsleistungen zu nutzen und den dauerhaft zugewiesenen Asylsuchenden in Marburg zukommen zu lassen".
In der Debatte über die Schließung des Camps in Cappel habe Spies häufig sein Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass das Land Hessen wirtschaftliche Interessen vor die Interessen asylsuchender Menschen stellt. "Die Unterbringungssituation der in Marburg dauerhaft lebenden Asylsuchenden verdeutlicht, dass auch die Stadt Marburg die Interessen Asylsuchender häufig nicht beachtet", schreibt die Gruppe. Beispielsweise sei es seit Juni Menschen, die sich noch im Asylverfahren befinden oder einen Duldungsstatus haben, untersagt, sich privaten Wohnraum zu suchen. Dies gelte auch für besonders schutzbedürftige Personengruppen, wie traumatisierte Menschen oder Familien.
"Dabei geht die Stadt sogar so weit, Asylsuchende, deren Mietverhältnis in privat angemieteten Wohnraum beendet
wurde, zu zwingen, wieder in die städtischen Gemeinschaftsunterkünfte zu ziehen", behauptet die Gruppe weiter. "Dadurch müssen Asylsuchende in Massenunterkünften leben, meist ohne Privatsphäre und nötigen Rückzugs- und Schutzraum."
Zusätzlich weigere sich die Stadt Marburg, Asylsuchende, die von Kommunen des Landkreises Marburg-Biedenkopf in die Stadt Marburg ziehen möchten, aufzunehmen. Diese Menschen würden dadurch gezwungen, weit außerhalb, häufig mit schlechter Anbindung zum ÖPNV und zu Einkaufsmöglichkeiten und weit entfernt von den für sie zuständigen Behörden, zu wohnen. "Dies steht in großem Kontrast zu Ihrem Wunsch, mehr geflüchtete Menschen in Marburg unterzubringen", wendet sich No Border an Spies.
Die große Bereitschaft der Marburger, geflüchteten Menschen Unterstützung zu anzubieten, sei sehr zu begrüßen. Das diesbezügliche Lob der Stadt Marburg sollte aber nicht darüber
hinwegtäuschen, dass viele der Aufgaben, die derzeit ehrenamtlich übernommen werden, Aufgaben
des Staates und generell der Öffentlichen Hand sind. Der aktuelle Betreuungsschlüssel von 1:150
von Sozialarbeitern zu Asylsuchenden sei viel zu gering, um den Bedarf asylsuchender Menschen
befriedigend zu decken.
"Das Modell der Ombudspersonen für geflüchtete Menschen im Camp war eine sehr zu begrüßende Institution", sagt das Schreiben. "Wir stellen uns gleichwohl die Frage, warum ein ähnliches Konzept nicht auch für die dauerhaft in Marburg lebenden geflüchteten Menschen eingerichtet wurde, um auch diesen Menschen politische Partizipation zu ermöglichen. Anstatt den Fokus auf die Lösung der Notbetreuung von neu Ankommenden zu richten, sollte sich die Stadt Marburg daher sehr viel intensiver mit der Versorgung der ihr zugewiesenen Asylsuchenden beschäftigen."
Die Briefschreiber stellen fest, dass "die Asyl- und Integrationsleistungen der Stadt Marburg bis heute nicht mit denen der Notaufnahme verzahnt wurden und fragen uns, warum die Stadt Marburg diesbezüglich noch keine Konzepte vorgelegt und umgesetzt hat. Daher fordern wir Sie auf, langfristig angelegte und nachhaltige integrative Konzepte zu Unterbringung, Bildung, Partizipation und Beratungsstrukturen zu entwickeln, die an den Belangen und Interessen asylsuchender Menschen ausgerichtet sind."
pm: No Border Marburg
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