06.09.2016 (mah)
Gegen die Schließung der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Cappel sprach sich Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies am Montag (5. September) in einem Brief an den Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier aus. "Ich halte diese Entscheidung für falsch und bitte Sie, diese erneut zu überprüfen", schrieb Spies.
Marburg und seine Bürger hätten im bundesweiten Vergleich Maßstäbe für die Erstversorgung von Flüchtlingen gesetzt und seien auch weiterhin zur Aufnahme bereit. Weit über 1.000 Menschen engagierten sich ehrenamtlich in der Aufnahme der Flüchtlinge.
"Durch die hohe fachliche Kompetenz gerade der ehrenamtlichen Arbeit wurde ein Niveau der Unterstützung und Begleitung geschaffen, dessen fachliche Qualität einzigartig sein dürfte", betonte Spies. "Die Entscheidung der Landesregierung ist ein Schlag ins Gesicht all dieser engagierten Mitbürgerinnen und Mitbürgern." Darüber hinaus hat sich auch die
Universitätsstadt Marburg personell und finanziell erheblich engagiert. So habe die Stadt "schnell, effizient und wirtschaftlich in Sinne des Landes die Errichtung fester Gebäude für das Land umgesetzt".
Dabei orientiere sich die Arbeit der Haupt- und Ehrenamtlichen immer unbürokratisch am Wohl der einzelnen Flüchtlinge. Deshalb hat die Universitätsstadt Marburg darüber hinaus mit dem "Portal Gisselberg – Zentrum für Flüchtlinge" einen zusätzlichen Ort für Geflüchtete eingerichtet, an dem Betreuung, Beratung, Deutschunterricht, Kinderbetreuung und viele weitere Beiträge zur Integration über die Pflichtleistungen hinaus - überwiegend ehrenamtlich - erbracht werden.
"Hessenweit einmalig hat die Stadt Marburg drei Ombudspersonen beauftragt, die die Anliegen der Flüchtlinge vertreten und sich vorbehaltlos für die Belange der Flüchtlinge einsetzten, was offensichtlich nicht immer gewünscht war", erläuterte Spies. Damit wurde wesentlich zu einem friedlichen Miteinander beigetragen. Für Spies wäre es wünschenswert und angemessen gewesen, das Marburger Modell der Ombudspersonen als festen Bestandteil aller Erstaufnahmeeinrichtungen zu etablieren.
"Es ist unverständlich, dass angesichts des einzigartigen zivilgesellschaftlichen Engagements gerade dieser Standort zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Schließung erfahren soll", erklärte der Oberbürgermeister. "Bereits vor einigen Wochen hatte ich Ihnen gegenüber die Bereitschaft der Universitätsstadt Marburg zur Aufnahme von zusätzlichen - über die bisherigen Einreisekontingente nach Deutschland hinausgehenden - Flüchtlingen mitgeteilt. In der Universitätsstadt Marburg hat eine breite Mehrheit der Bevölkerung sowie der städtischen Gremien keinerlei Verständnis für die aktuelle Haltung gegenüber den Flüchtlingen. Deshalb darf ich noch einmal im Namen der Universitätsstadt Marburg an Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, appellieren, und Sie bitten, sich für eine weitere Öffnung und eine Aufnahme einer größeren Zahl von Flüchtlingen einzusetzen, die derzeit unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen."
Bürgerschaft und Gremien seien nach wie vor gerne bereit, einen weiteren und großen Beitrag dazu zu leisten, dass Menschen in Not eine menschenwürdige, freundliche und offene Aufnahme sowie Schutz erfahren. "Wir möchten gerne unser Engagement auch in der Erstaufnahme fortsetzen und ersuchen daher die Landesregierung, die Entscheidung gegen den Standort Marburg zu überprüfen", bekräftigte Spies abschließend.
Spies lud für Freitag (9. September) zu einem Informationsaustausch über die geplante Schließung des Cappeler Camps zwischen der Stadt Marburg und den ehrenamtlichen Helfern ein. Das Treffen findet um 17 Uhr im Stadtverordnetensitzungssaal an der Barfüßerstraße statt.
pm: Universitätsstadt Marburg
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