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Nachspielzeit


Theaterstück kritisierte das Theater

31.08.2016 (fjh)
Die Zuschauer sitzen umgekehrt zur üblichen Richtung. Dort, wo sonst die Bühne ist, haben knapp 30 Besucher Platz genommen. Dort, wo sonst das Publikum sitzt, treten die Schauspieler auf.
Das Theaterstück "Nachspielzeit" nach einer Kurzgeschichte von Willi Schmidt feierte am Dienstag (30. August) Premiere in der Waggonhalle. Die Umkehrung der Sitzordnung war dabei nicht zufällig, sondern eine folgerichtige Umsetzung des dargestellten Inhalts.
Die Maskenbildnerin Katja kehrt in den Theatersaal zurück, wo sie ihre Zigaretten vergessen hat. Dort stört sie den Beleuchter Lutz, der zwischen den ausgeschalteten Lampen liegt und döst. Nach Hause will er nicht, denn dort erwartet ihn niemand.
"Ist es wahr, dass Du Dich für nichts anderes interessierst als für Fußball?" Ihre Frage beantwortet Lutz mit einem Achselzucken.
Dann erzählt er ihr von der Nachspielzeit: IN der Champions League (CL) verlor der FC Bayern seine Führung in der Nachspielzeit. In allerletzter Minute zog Barcelona gleich und erzielte dann sofort danach noch ein weiteres Tor, das es ins Finale der CL brachte.
Für Lutz ist die Nachspielzeit eine traurige Angelegenheit: Seit seine Frau ihn verlassen hat, hängt er nur noch traurig herum. Am Theater fühlt er sich ohnehin nicht wohl, weil die Schauspieler eher ihre eigene Eitelkeit pflegen als die Kunst.
Zwischen dem Beleuchter und der Maskenbildnerin entspannt sich ein Dialog über karrieregeile Schauspieler, Regisseure und Intendanten. Manches mochte durchaus dem entsprechen, was hinter den Kulissen eines Provinztheaters vor sich geht.
Nach und nach ließen Lutz und Katja ihre Masken fallen. Immer persönlicher und tiefschürfender wurde ihr Gespräch. Ängste und Frust kamen dabei ebenso ans Tageslicht wie der Wunsch, wenigstens von einem Menschen angenommen zu werden.
Sehr gekonnt ließen Schmidt und seine Bühnenpartnerin die beiden Charaktere plastisch vor den Augen des Publikums entstehen. Die schauspielerischen Leistungen der beiden waren absolut überzeugend.
Etwas mehr Dramaturgie hätte dem Stück allerdings gut getan. Mitunter plätscherte die Handlund in Dialgen dahin, die zwischen Belanglosigkeiten und tiefschürfenden Betrachtungen und Aussagen wechselten.
Berührend waren die Szenen, in denen die beiden Protagonisten ihre Empfindungen und Äbngste äußerten. Gelungen war auch der Einstieg, der dem Theater und seiner selbstbezogenen Eitelkeit einen kritischen Spiegel vorhielt. Dazwischen gab es leider auch ein paar Längen, die vielleicht hätten zusammengekürzt werden können.
Insgesamt zeigte sich Schmidt aber wieder einmal als Meister des berührenden Theaters und kongenialer Darsteller seiner eigenen Protagonisten. Umso bedauerlicher ist, dass der geringe Publikumszuspruch dieses hohe Niveau nicht angemessen würdigt.
Franz-Josef Hanke
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