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Höhepunkte hören


Die ultimative Samstagabendshow begeisterte nicht nur Blinde

03.07.2016 (fjh)
"Eine blonde Frau mit Dunklem Top und kurzem grünen Kleid betritt von links die Bühne und verteilt drei Papiertüten an die Teams." Die Audiodeskription war eines der interessantesten Elemente der "Ultimativen Samstagabendshow" des Louis-Braille-Festivals. Mitunter hatten Linda und ihr männlicher Kollege bei den Bildbeschreibungen für Blinde die Lacher auf ihrer Seite.
Zum 100-jährigen Bestehen der Deutschen Blindenstudienanstalt (BliStA) veranstaltet der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) von Freitag (1. Juli) bis Sonntag (3. Juli) in Marburg Europas größtes Treffen blinder und hochgradig sehbehinderter Menschen. Rund 3.000 Teilnehmende waren dafür in die mittelhessische Universitätsstadt gekommen, um Erfahrungen auszutauschen, sich über neue und traditionelle Angebote im Blindenwesen zu informieren oder gemeinsam Sport zu treiben. Für sie bot das Festival ein umfangreiches Programm unterschiedlichster Wettbewerbe, Workshops und Unterhaltungsmöglichkeiten.
Ein Höhepunkt war am Samstag (2. Juli) "Die ultimative Samstagabendshow" in der Georg-Gaßmann-Hallle. Sie knüpfte an bekannte Unterhaltungssendungen des Fernsehens an und bereitete sie blindengerecht und barrierefrei auf.
Drei Teams konnte Moderator Alexander Mazza dazu begrüßen: Neben jungen Leuten aus Kursen des Berufsbildungswerks Soest nahmen daran als "Die Hundertjährigen" Aktive des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) aus Marburg und als "Weißwurstzutzler" die Jugendgruppe des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbunds aus München teil. Die aus Blinden, Sehbehinderten und Sehenden gemischten Teams stellten sich sechs Aufgaben aus verschiedenen Bereichen, für die sie je nach Abschneiden unterschiedlich viele Punkte einsammeln konnten.
Bei der Aufgabe "Am laufenden Tonband" beispielsweise mussten sie sich 20 Geräusche merken, die ihnen zweimal vorgespielt wurden. Auf einem Parcours draußen vor der Halle musste ein Sehender Mitspieler einen blinden Teamkollegen auf einem Tretauto durch einen Parcours dirigieren, wobei Außenreporter Pit Metz bei der Einspielung des Wettbewerbs auf eine Videowand in der Halle durch witzige Kommentare über die Fahrten der "Boliden" in die Bande glänzte.
Mit seinem hervorragenden Allgemeinwissen holte Michael Richter im letzten Spiel seinen "Hundertjährigen" den Sieg. Zehn Fragen beantwortete er auf dem "Heißen Stuhl" ohne Zögern richtig, womit er die Kandidaten der anderen beiden Teams deutlich hinter sich ließ. Als Preisgeld erhielt der DVBS 7.500 Euro für Seminare und Teilnahmemöglichkeiten sozial benachteiligter Mitglieder an Veranstaltungen.
Aber auch die beiden anderen Teams gingen nicht leer aus. Vor allem jedoch erwarben sie sich die Sympathien des - überwiegend blinden oder sehbehinderten - Publikums.
Diese Sympathien hatte auch Corinna May, die das Spielprogramm durch eine Gesangseinlage
auflockerte. Die blinde Musikerin hatte Deutschland 2002 beim "European Song Contest" (ESC) vertreten. Gemeinsam mit ihrem Kollegen und Lebenspartner Claus war sie am Nachmittag bereits im Stadion unter dem Band-Namen "One Kiss" aufgetreten.
Unumstrittener Publikumsliebling indes war Joana Zimmer. Sie trug nicht nur ihren Hit "I Believe" (Give a Little Bit) vor, sondern hatte das Festivalprogramm auch durch eine sehr gut besuchte Lesung aus ihrer Autobiografie sowie einen Yoga-Kurs bereichert. Im Bühnengespräch mit Mazza dankte sie dem DBSV-Geschäftsführer Andreas Bethke für seine langjährige Freundschaft und ermutigte alle Anwesenden, trotz aller Widrigkeiten das zu versuchen, was man gerne machen möchte und was einem am Herzen liegt.
Neue Publikumslieblinge sind nach der "Ultimativen Samstagabendshow" ganz zweifelsfrei auch die beiden Audiodeskripteure. Sie luden die Anwesenden ein, sie bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro auf der Tonshpur der Fernsehübertragungen wiederzuhören.
Dieses Vergnügen sollten sich freilich nicht nur Nichtsehende gönnen, denn gerade die lakonisch-ironischen Bildbeschreibungen waren an diesem gelungenen Unterhaltungsabend das würzige Salz in der Suppe. Kurz nach Beginn der Show erntete Linda bereits die ersten Lacher für ihre schnoddrig vorgetragene Feststellung: "Alexander stürmt die Stufen hoch auf die Bühne, kommt ins Taumeln und dreht dem Publikum sein Hinterteil zu."
Franz-Josef Hanke
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