04.06.2016 (fjh)
"Making Heimat" - dieses Motto der Architektur-Biennale in Venedig findet Architekt Thomas Hess auch passend für das
Erwin-Piscator-Haus (EPH). Für Marburgs Stadtgesellschaft soll die umgebaute Stadthalle schließlich ein Ort der Kultur, der Begegnung und lebendiger Diskussionen werden.
Nach dreijährigem Umwau weihte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies das EPH am Samstag (4. Juni) feierlich ein. "Nessun Dorma" - "Keiner schlafe!" - spielte das Schulorchester der benachbarten Martin-Luther-Schule (MLS) zum Auftakt der Eröffnungsfeier am Samstagvormittag.
Diskussionen habe es darüber gegeben, ob man die alte Substanz umbauen oder lieber an anderem Ort eine ganz neue Halle errichten solle, berichtete Spies. Diese Diskussionen seien bei solch einem Projekt in einer Demokratie nur natürlich. Der Oberbürgermeister wünschte sich, dass es in den neuen Räumen künftig viele - auch kontroverse - Debatten geben werde und das EPH zu einem Ort lebendiger Kultur werde.
"Ein einziger Zeitungsartikel müsste eigentlich zu einem Umbruch führen", zitierte Spies den Namensgeber der Halle. Leider sei das aber in den meisten Fällen nicht so. Deshalb muss es nach einer Äußerung von Erwin Piscator aus dem Jahr 1927 auch Vermittlungswege wie das Theater geben.
Neben dem
Hessischen Landestheater Marburg ziehen in die umgebaute EPH nun auch die Marburg Stadt und Land Tourismus (MSLT), der
Kulturladen KFZ und die Martin-Luther-Schule ein. Betrieben wird die Halle vom städtischen Fachbereich Erwin-Piscator-Haus in Eigenregie.
EPH-Fachbereichsleiterin Tine Faber befragte Vertreter der neuen Nutzer nach ihren Erwartungen und Plänen. Insbesondere das KFZ erhofft sich von der neuen Nachbarschaft auch neue Synergien und vielleicht sogar innovative Projektideen. Ähnlich sieht das auch MSLT-Geschäftsführer Klaus Höfel, der vor allem die verkehrsgünstige Lage des EPH schätzt.
Gleich beim Eingang betreibt die MSLt einen Schop mit "Tourist-Information". Im Keller verfügt das KFZ über einen Saal mit 300 Plätzen, der dank seiner Schallisolierung auch lautere Konzerte ohne Beschwerden aus der Nachbarschaft ermöglicht.
Der große Saal mit gut 1.000 Plätzen entspricht weitgehend dem alten Saal der Stadthalle. Allerdings wurden Fußboden und Wände erneuert. Eine bequeme Bestuhlung wird in Schienen eingefügt.
Schall- und Lichttechnik wird teilweise nicht cachiert. Auch sonst wurde teilweise bewusst auf eine Verkleidung von Betonwänden verzichtet.
Allerdings liegt hier auch ein Mangel, der schon bald zu Problemen führen könnte: Bereits am Eröffnungstag war auf der Außentreppe Grünspan festzustellen; und der unverkleidete Beton dort dürfte bald schon sehr hässlich werden.
Gelungen hingegen sind die Schrägen, die in lichtdurchfluteten Windungen innen hinauf in den Saal und draußen hinab zum KFZ führen. Damit ist das EPH für Rollstuhlfahrende behindertengerecht. Blinde sollen von Aufmerksamkeitsfeldern im Boden profitieren, die sich für andere angesichts des ansonsten sehr glatten Fußbodens aber teilweise als Stolperfallen entpuppen könnten.
Das mit Aluminiumblechen gedeckte Dach ist mit einer Photovoltaikanlage bestückt, die ein Großteil des im Haus benötigten Stroms selbst erzeugt. Insgesamt wirkt der Bau durch zahlreiche Verspiegelungen und viel Glas lichtdurchlässig und transparent.
Zahlreiche Interessierte erkundeten am Samstagmittag das Gebäude. Der Samstagabend war einer großen Einweihungs-Show mit dem Kabarettisten Lars Reichow vorbehalten. Bei einer Matinee am Sonntag (5. Juni) sowie einer Ausstellung im Foyer stehen Leben und Werk des Namensgebers Piscator im Mittelpunkt.
Franz-Josef Hanke
Text 11554 groß anzeigenwww.marburgnews.de