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Arbeit im Pilgrimstein


Stützmauer am Botanischen Garten wird saniert

22.04.2016 (fjh)
Seit 1895 gibt es die Stützmauer am Pilgrimstein entlang des Botanischen Gartens. Das denkmalgeschützte Bauwerk steht schon lange unter besonderer Beobachtung, denn es verformt sich.
Zuletzt betrug die Veränderung bis zu vier Millimeter pro Jahr. Ab sofort wird die Mauer wieder tragfähig gemacht und von Grund auf saniert.
"Diese Stützmauer kann man sich im Profil wie ein langes Brett vorstellen, das tief in die Erde hineingeht", erläuterte Bürgermeister Dr. Franz Kahle bei einem Ortstermin. "Es bewegt sich insgesamt. Die Kippbewegung zum Alten Botanischen Garten hin macht eine Sanierung dringend erforderlich."
Seit 2008 war eine Beschleunigung dieser Kippbewegung bemerkt worden. Als Ursache stellte eine gutachterliche Untersuchung von 2013 fest, dass sich der obere Felshorizont unter der Mauer zunehmend zersetzt. Insbesondere im vorderen Bereich wird die Standfläche der Mauer immer weicher, so dass sie immer schneller nach vorne kippt.
"Als die Mauer vor etwa 100 Jahren errichtet worden ist, war sie schräg zum Hang hin gebaut", machte der Baudezernent deutlich. "In der Zwischenzeit hat sie sich mehr oder weniger gerade gestellt. Aber sie bewegt sich weiter, sodass sie sich jetzt in die entgegengesetzte Richtung verformt."
Ein solcher Kippprozess könne sich auch sehr rasant beschleunigen, warnte Kahle. Das sei zum Teil auch von nicht beeinflussbaren Faktoren abhängig wie etwa der Witterung, dem Grundwasserspiegel oder Erschütterungen.
"Hier haben wir beispielsweise mit Verkehrsbeschränkungen über die Straßenverkehrsbehörde eingegriffen, den Schwerlastverkehr herausgenommen und die Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 30 gesenkt", erläuterte der Bürgermeister. Jedoch könne man sich die Situation wie am Meer vorstellen, wenn man auf hartem Sand steht, verdeutlichte der Baudezernent: "Bewegt man sich etwas, wird der Sand plötzlich weich und man sinkt tiefer ein."
Solch ein Effekt könne auch im Untergrund der Mauer entstehen, führte Kahle weiter aus. "Dieses Szenario duldet keinen Aufschub; und deswegen müssen wir jetzt anfangen", sagte Kahle. "Wir gehen von einer Bauzeit von circa sechs Monaten aus."
Das Kostenvolumen beträgt etwa 1,5 Millionen Euro. Davon wird gut die Hälfte über das Sanierungsgebiet nördliche Altstadt aus Städtebaufördermitteln bezahlt. "Der Bund und insbesondere das Land Hessen sind uns sehr großzügig entgegengekommen und haben das Projekt als förderungsfähig anerkannt", freute sich der Bürgermeister.
"Das Verfahren, das wir hier anwenden, ist sehr schonend, was das Erscheinungsbild der Mauer betrifft", erläuterte Baudirektor Jürgen Rausch. "Sie wird auch ästhetisch aufgewertet, weil sie verfugt werden muss."
Erfolgte diese Maßnahme nicht, würde das Injektionsmaterial möglicherweise herausgepresst, erklärte Rausch. "Wir bekommen so den Erhalt einer Mauer mit einer Statik, die aktuellen Standards gerecht wird; und das ist - bezogen auf den Denkmalschutzaspekt - eine sehr erfreuliche Lösung."
Zunächst werde die bestehende Stützmauer neu verfugt. Dafür werden die Fugen ausgeräumt und abschließend im Trockenspritzverfahren gefüllt. Wasser kann wegen des Schutzes des Botanischen Gartens nicht eingesetzt werden.
Die Mauer wird in ihrer Substanz nicht verändert und die bereits erfolgte Verformung nicht zurückgebildet; jedoch erscheint sie nach Abschluss der Bauarbeiten wie neu gebaut. In dieser Phase werden auch vorhandene Schäden im Mauerwerk und an den Kunststeinbögen mit instand gesetzt.
Dann werden insgesamt etwa 600 Injektionslanzen mit einer Länge von jeweils fünf Metern und einem Durchmesser von 15 Zentimetern nach und nach vom Straßenniveau aus durch Bohrungen eingebracht. Die Füllung funktioniert wie dünner Beton: Die zugrunde liegenden Steine werden dadurch verfestigt.
Durch die neuen Fugen, den angepassten Injektionsdruck sowie ein mögliches Nachverpressen wird vermieden, dass in dieser Phase Suspension aus der Mauer austritt. Darüber hinaus gehen die Ingenieure mit den Injektionen auch in den felsigen Untergrund, der sich allmählich zersetzt, um das Fundament in einem dritten Schritt über die die Schaffung von Zement-Boden-Säulen unterhalb der Mauer mit einem Düsenstrahlverfahren stabiler zu machen. Die Mauer geht vier Meter tief in die Erde.
Auf diese Weise werde auch der Untergrund optimiert, die Mauer selbst zu einem größeren zusammenhängenden Körper gestaltet. Das Verfahren sei anerkannt und in der Universitätsstadt Marburg bereits mit guten Erfahrungen erprobt, berichtete der Baudirektor.
Im Wesentlichen könne der Verkehr während der Bauphase so laufen wie bisher, obwohl die Mauer zum Schutz des Botanischen Gartens fast ausschließlich von der Straße aus bearbeitet werde. Nur um verfugen zu können, müsse ein Gerüst dort aufgestellt werden.
Michael Hagenbring von der Straßenverkehrsbehörde erläuterte die aktuellen Verkehrsveränderungen im Zuge der Bauarbeiten: "Aus Richtung Elisabethkirche kommend, bleibt der Auto- und Radverkehr weiter auf der Fahrbahn." Um den fehlenden Gehweg zu kompensieren, wurde der Gehweg auf der anderen Straßenseite provisorisch verbreitert.
"Allerdings ist für den Radverkehr in Richtung Elisabethkirche keine Durchfahrt mehr möglich, weil der Radfahrstreifen im Zuge der Baumaßnahme nicht mehr aufrechterhalten werden kann", schränkte Hagenbring ein. Radfahrende werden aus Richtung Rudolphsplatz über die Biegenstraße und die Uferstraße umgeleitet.
"Auch über die kleine Brücke der Universität kann man über die Johannes-Müller-Straße fahren", merkte Kahle an. "Das wird sich einpendeln."
Die geplanten Maßnahmen sind mit der Philipps-Universität als Eigentümerin des Alten Botanischen Gartens hinsichtlich der Schutzbelange des Baumbestandes und mit der Denkmalschutzbehörde abgestimmt worden. Zudem erfolgte bereits in geringem Umfang ein Rückschnitt an den Bäumen. Die Baumaßnahme wird durch ein ökologisches Fachbüro begleitet.
pm: Stadt Marburg
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