19.01.2016 (fjh)
Neue und größere Räumlichkeiten stehen der Marburger Flüchtlingshilfe in Gisselberg seit Montag (18. Januar) zur Verfügung. In der Anlaufstelle "Portal Gisselberg - Zentrum für Flüchtlinge" im Gebäude Gießener Straße 13 soll das Programm an ehrenamtlichen Angeboten erweitert werden.
Bereits am Samstag (16. Januar) hatte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies alle Gisselberger Bürgerinnen und Bürger zu einer Informationsveranstaltung in die neuen Räume auf dem ehemaligen EAM-Gelände eingeladen. Anschließend stand das Haus bis 14 Uhr für eine Besichtigung zur Verfügung. Die bereits im November eröffnete Kleiderkammer im Nachbargebäude war ebenfalls geöffnet.
Das Interesse war so groß, dass der ursprünglich geplante Raum aus allen Nähten platzte. Hunderte Menschen aus Gisselberg und Umgebung waren gekommen, sodass spontan ein zweiter großer Raum genutzt wurde, um parallel zu informieren. Anschließend konnten sich die Gäste bei Waffeln und Getränken ausführlich ein Bild machen.
Oberbürgermeister Spies verdeutlichte, dass die vielen Menschen, die derzeit in Deutschland Zuflucht suchen, lange Zeit und oft auch für immer hier bleiben. Aus einer gelebten "Willkommenskultur" müsse daher eine "Bleibekultur" werden. Ein Baustein seitens der Stadt sei die neue Anlaufstelle in Gisselberg.
Spies lobte den unermüdlichen ehrenamtlichen Einsatz der Marburgerinnen und Marburger für die Hilfesuchenden. Etwa 1.500 Menschen engagieren sich ehrenamtlich. Ohne sie wären die vielen Angebote der
Universitätsstadt Marburg nicht möglich, hob das Stadtoberhaupt hervor.
"Und das ist die absolute Grundlage für die Integration", sagte Spies. "Menschen, die aus Diktaturen zu uns fliehen, müssen wissen, dass sie willkommen sind und sich wohlfühlen." Dafür sei Marburg ein hervorragendes Beispiel.
Spies und Flüchtlingskoordinatorin Gudrun Fleck-Delnavaz, die die Angebote in Gisselberg vorstellte, hoben in Erwiderung auf Befürchtungen im Nachgang zu den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln hervor, dass es bisher in Marburg zu keinerlei Häufungen von Straftaten gekommen sei, was auch am Einsatz der Bürger liege. Gleichwohl - so sagten sie zu - werde in Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt ein Konzept entwickelt, damit das auch so bleibe.
"Wenn die Menschen merken, dass sie freundlich begrüßt werden, dann begegnen sie uns auch freundlich", zeigte sich Spies überzeugt.
Laut Fleck-Delnavaz lebten zum Stichtag 31. Dezember 2015 in der Erstaufnahmeeinrichtung in Cappel, die vom
Regierungspräsidium Gießen (RP) betrieben wird, 440 Menschen. Sie bleiben bis zu einem halben Jahr, bis ihr Asylverfahren läuft.
Zugewiesene Flüchtlinge, die die Erstaufnahme durchlaufen haben, leben in Marburg etwa 480. Vornehmlich sind sie dezentral untergebracht. In Cappel hätten die dortige Anlaufstelle, die nur ein Provisorium war, etwa 250 Menschen am Tag besucht, berichtete sie.
Wie die Flüchtlingskoordinatorin weiter ausführte, bleiben die Angebote, die bisher in unmittelbarer Nachbarschaft zum Flüchtlingscamp gemacht wurden, bestehen. Neben Alphabetisierungskursen und Alltagstraining für Erwachsene mit Kinderbetreuung steht auch ein Raum mit Computern zur Verfügung. Dort kann man mit Familie und Freunden skypen, die oft auf der ganzen Welt verteilt sind oder das Heimatland nicht verlassen haben.
Außerdem erhalten Geflüchtete auf Wunsch eine Beratung für ihr laufendes Asylverfahren. Weitere Angebote sollen bis zum Frühjahr hinzukommen. Ehrenamtliche Mitarbeit der Gisselbergerinnen und Gisselberger sei ausdrücklich erwünscht, so Fleck-Delnavaz.
Die neue städtische Anlaufstelle bietet von Montag bis Freitag unter der Federführung der Stadt Marburg – umgesetzt durch hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und hunderte von Ehrenamtlichen – zahlreiche Aktivitäten, die den Geflüchteten in ihrer Orientierung an einem völlig fremden Ort helfen. Das "Portal Gisselberg - Zentrum für Flüchtlinge" auf dem ehemaligen EAM-Gelände kann nun viele Angebote vorweisen.
"Bis jetzt konnten beispielsweise nur Erwachsene Deutschunterricht erhalten", erklärte Spies. "In Zukunft bekommen auch die im Camp lebenden Kinder regelmäßig Unterricht."
Jeden Tag höre er von "neuen Ideen, wie wir die geflüchteten Menschen in unserer Stadt unterstützen können und dazu beitragen, dass sie sich bei uns willkommen fühlen und dass das Miteinander gut funktioniert".
Vorrangig bekommen die Kinder durch Ehrenamtliche – darunter viele pensionierte Lehrerinnen und Lehrer – die deutsche Sprache vermittelt. Doch auch Fächer wie Mathematik und Erdkunde sind vorgesehen.
Ein spezielles Angebot für Frauen wird es ebenfalls geben. Eine Hebamme und eine Gynäkologin nehmen in Kürze ihre Tätigkeit auf.
Ein Spiele-, Kreativ- und Handarbeitsraum befindet sich im Aufbau. Ebenso arbeiten Experten an einem Konzept der psychosozialen Betreuung von Flüchtlingen und Ehrenamtlichen.
Ein weiteres wichtiges Angebot ist die Hotline für alle Bürgerinnen und Bürger. Sie ist von Montag bis Freitag in der Zeit von 9 bis 12 und von 14 bis 17 Uhr durch Ehrenamtliche besetzt.
Dort werden alle Fragen rund um Flüchtlinge entgegengenommen, direkt beantwortet oder an die richtigen Stellen weitergeleitet. Zu erreichen ist die Hotline unter der Telefonnummer 06421/201-2222.
Doch nicht nur den im Camp wohnenden Menschen steht das erweiterte Programm künftig zur Verfügung; auch "zugewiesene" Flüchtlinge, die bereits fest in Marburg leben, sind ab sofort eingeladen, dieses Angebot ebenfalls zu nutzen. Mehrfach am Tag fährt ein Bus vom Camp in Cappel nach Gisselberg und wieder zurück, um die beiden Orte miteinander zu verbinden. Diesen Shuttle-Service können bei Bedarf auch Ehrenamtliche nutzen.
pm: Stadt Marburg
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