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8,3 Millionen für Forschung über Hethiter

20.11.2015 (fjh)
Mit rund 8,3 Millionen Euro ist ein neues Forschungsprogramm ausgestattet, das den Festritualen der Hethiter auf den Grund geht. Die Leitung des Projekts liegt bei der Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Elisabeth Rieken von der Philipps-Universität und dem Altorientalisten Prof. Dr. Daniel Schwemer von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Das auf 21 Jahre angelegte Projekt wurde von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder (GWK) beschlossen. Es ist an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz angesiedelt und Teil des Akademienprogramms, in dem 2016 neun neue Langzeitprojekte starten.
"Das Corpus der hethitischen Festrituale: staatliche Verwaltung des Kultwesens im spätbronzezeitlichen Anatolien" lautet der Titel des Projekts, das sich der Erschließung und wissenschaftlichen Edition der Festritualtexte der Hethiter aus dem 17. bis 13. Jahrhundert vor Christus widmet. Diese Texte sind auf rund 10.000 Tontafel-Fragmenten überliefert. Sie bilden die umfänglichste Textgruppe unter den Keilschriften aus dem hethitischen Anatolien.
Von der Erforschung der Quellen versprechen sich die Forscher Einblicke in das Verständnis der hethitischen Götterwelt, in die Entwicklung und Wandlung der Kulte, der Kultorte sowie ihre Verwaltung. Außerdem werden die Quellen Aufschluss über die soziale, politische und wirtschaftliche Rolle des Kultwesens im Hethiterreich geben.
Das Vorhaben dient dazu, die Quellen in Form von webbasierten Texteditionen zu veröffentlichen. Damit die Keilschrifttafeln noch besser editiert und studiert werden können, entwickeln die Wissenschaftler computergestützte Methoden zur Schriftanalyse und Rekonstruktion der fragmentierten Keilschrifttafeln weiter.
In übergreifenden Studien untersuchen die Wissenschaftler eng mit dem Corpus verbundene Fragen in den Bereichen Paläographie (Lehre von alten Schriften), Linguistik, Religions- und Verwaltungsgeschichte. Rieken leitet die linguistische Forschungsarbeit, in der die historische Entwicklung und die Form der Archivierung des Festritualcorpus sowie die hethitische Sprachentwicklung im Vordergrund stehen. Eine paläographische Studie schafft die Voraussetzungen, um diese Fragen zu bearbeiten, vor allem hinsichtlich der Textdatierung.
Rieken geht der Frage nach, inwieweit sich die Schreiber der Ritualtexte als Autoren, Kopisten oder Kompilatoren verstanden, die eine interpretierende Auswahl aus den überlieferten Kulttraditionen zusammenstellten. Sie fragt auch, wie die Schreiber ihre eigenen Ziele und Absichten sprachlich umsetzten.
"Wo zwischen den Polen Formelhaftigkeit und individueller Gestaltung von Inhalten bewegen sich die Schreiber?", fragt sie. "Dies untersuchen wir anhand immer wiederkehrender Motive, die sich durch die Überlieferungsgeschichte ziehen wie etwa die Tuchwurfszene, die ein Ritual beschreibt, bei dem der König beim Kultmahl im Tempel ein Tuch wirft."
Außerdem untersucht Rieken, inwieweit die Schreiber eine kultische Fachsprache entwickelt haben und welche sprachlichen Variationen und Innovationen bei den Festritualbeschreibungen möglich waren. "Einen Gott trinken" ist beispielsweise die fachsprachliche Beschreibung der Hethiter, um auszudrücken, dass die Gläubigen einem Gott einen Becher zu dessen Verehrung zutrinken.
Die wichtige Rolle des Kultwesens im Hethiterreich im zweiten Jahrtausend vor Christus wird jedem, der die Ruinen einer hethitischen Stadt besucht, sofort deutlich. Monumentale Tempel prägen das Stadtbild; Landschaftsmarken in der Umgebung weisen auf sakrale Stätten hin. Allein auf dem Gelände der einstigen Hethiter-Hauptstadt Hattuscha im Bergland des heutigen Anatolien sind 30 Tempel nachgewiesen.
Die Sorge um den Kult der Götter gehörte zu den wesentlichen Aufgaben des Königs und der von ihm eingesetzten Führungseliten. Ihm kommt als ranghöchster Kultdiener eine zentrale Rolle zu. Die Festritualtexte sind knapp formuliert, enthalten aber umfangreiche Vorschriften für die Durchführung des Kults zu bestimmten - oft jahreszeitlich festgelegten - Anlässen.
pm: Philipps-Universität Marburg
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