07.10.2015 (fjh)
Die vorbildliche Arbeit der Jugendfeuerwehr Wehrda im Sinne der Gleichstellung wurde am Dienstag (6. Oktober) mit dem Marburger Gleichberechtigungspreis ausgezeichnet. Oberbürgermeister Egon Vaupel und Dr. Marlis Sewering-Wollanek als Vorsitzende der Gleichstellungskommission der
Universitätsstadt Marburg übergaben den mit 2.500 Euro dotierten Preis bei einer Feierstunde im Historischen Saal des Rathauses.
"Dieser Preis ist ein Gewinn", stellte Vaupel fest. Seit 2009 wurde er nun bereits zum vierten Mal verliehen.
Der Preis motiviere, genau hinzuschauen. Es seien die kleinen Dinge, die stimmen müssen, damit Großes erreicht werden könne. Auch wenn Artikel 3 des Grundgesetzes ganz klar formuliere "Männer und Frauen sind gleichberechtigt", sei die Umsetzung dieses Gesetzestextes nach wie vor schwierig.
Frauen verdienen weniger Geld als Männer. Sie sind unterrepräsentiert, wenn es um die Bezeichnung von Straßen oder Plätzen geht. Wenn er eine Frau von einer bevorstehenden Ehrung ihres ehrenamtlichen Engagements anrufe, dann bekomme er meist zu hören "Ach, so viel habe ich doch gar nicht gemacht", während die Männer äußern, damit hätten sie schon gerechnet, berichtete Vaupel.
Der Marburger Gleichberechtigungspreis fördert geschlechtergerechtes Handeln. Über die diesjährige Entscheidung der sechsköpfigen - paritätisch besetzten - Jury freute sich der Oberbürgermeister aus doppeltem Grund ganz besonders: Vaupel ist nicht nur erfreut, weil das Brandschutzdezernat in seiner Zuständigkeit liegt; er ist noch dazu Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Wehrda und konnte damit also "seine" Jugendfeuerwehr auszeichnen.
Die Jugendfeuerwehr Wehrda wurde 1977 gegründet. Dass von Anfang an Mädchen dabei waren, sei eine Besonderheit, erläuterte Holger Schönfeld. Er ist Bildungsreferent der Hessischen Jugendfeuerwehr.
Erst seit rund 40 Jahren gibt es überhaupt Frauen in der Feuerwehr. Die Diskussionen zu diesem Thema seien nur selten sachlich geführt worden. Man müsse sich selbstkritisch fragen, warum es so lange gedauert hat, bis sich tatsächlich etwas geändert hat.
Heute zeigen Frauen und Mädchen vermehrt: "So geht Feuerwehr", sagte Schönfeld. Im Hinblick auf die Gleichstellung erlebten Jungen und Mädchen in der Jugendfeuerwehr ein gleichberechtigtes Miteinander, Lernen und leben.
"Wer hätte vor fünf oder vor zehn Jahren gedacht, dass eine Jugendfeuerwehr einen öffentlichen Gleichstellungspreis erhält", erklärte er. Dieser Preis sei "ein Ritterschlag mit Verpflichtung für die Zukunft". Die Arbeit in den Jugendfeuerwehren diene nicht nur der Rekrutierung von Nachwuchs für die Feuerwehren, sondern sei auch jugendpflegerische Arbeit und erfülle einen Erziehungsauftrag, fuhr der Bildungsreferent fort.
Auch Sewering-Wollanek betonte, dass die Jugendfeuerwehren auch soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Verlässlichkeit fördern. Damit seien sie wichtig sowohl für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen wie auch für die Gesellschaft.
"Eine Demokratie ist angewiesen auf Menschen, die sich beteiligen und die verlässlich sind", sagte sie. Ohne die ständige Einsatzbereitschaft der Freiwilligen Feuerwehren sei es um die Sicherheit in vielerlei Hinsicht schlecht bestellt.
Frauen und Mädchen haben es nicht in jeder Stadt oder Gemeinde leicht, sich in der Feuerwehr zu engagieren, sagte Sewering-Wollanek. Unter den rund eine Million Feuerwehrleuten in Deutschland seien nur 80.000 Frauen; bei den Jugendfeuerwehren liege der Anteil inzwischen immerhin bei gut 25 Prozent.
Hessen liegt im Vergleich der westdeutschen Bundesländer an der Spitze. In den ostdeutschen Ländern ist die Frauenquote traditionell insgesamt deutlich höher.
In ihrer Bewerbung um den Gleichberechtigungspreis hat sich die Jugendfeuerwehr Wehrda als "Stadtmeister" im Hinblick auf den Anteil des weiblichen Feuerwehrnachwuchses bezeichnet. Neun der 19 Mitglieder im Alter zwischen 10 und 15 sind Mädchen.
Jugendwart Philipp Schwarz bedankte sich als Leiter der Jugendfeuerwehr Wehrda für die Auszeichnung. Es werde heute immer schwieriger, Menschen überhaupt für ein Engagement bei der Feuerwehr zu begeistern. Umso wichtiger sei es, bereits in der Jugend anzufangen.
"Wir wollen zeigen, dass helfen auch Spaß machen kann", erläuterte Schwarz. Wie gut die Arbeit in Wehrda gelingt,zeigt die Tatsache, dass in der Erwachsenen-Feuerwehr 70 Prozent ehemalige Mitglieder der Jugendfeuerwehr sind. Nach 38 Jahren und nun dem Marburger Gleichberechtigungspreis blickt der Jugendwart optimistisch in die Zukunft: "Solange wir weiter Unterstützung bekommen, freuen wir uns auf die nächsten 38 Jahre!."
Der Marburger Gleichberechtigungspreis wird seit 2009 im zweijährigen Turnus ausgelobt und ist mit 2.500 Euro dotiert. Die Preisträger der vergangenen Jahre waren das Zentrum für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung der
Philipps-Universität und die Initiative für Kinder-, Jugend- und Gemeinwesenarbeit im Jahr 2009, die Frauenfußballabteilung der Sportfreunde Blau-Gelb Marburg im Jahr 2011 und die "Elisabeth-Café"-Gruppe des
Marburger Weltladens im Jahr 2013. Die nächste Verleihung wird im Jahr 2017 stattfinden.
pm: Stadt Marburg
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