05.10.2015 (fjh)
Das Richtfest für ihr künftiges Kultur- und Bildungszentrum mit Moschee hat die Islamische Gemeinde Marburg am Freitag (2. Oktober) mit mehr als 200 Gästen aus Politik und Gesellschaft gefeiert. Vorsitzender Dr. Bilal Farouk El-Zayat begrüßte unter den Besuchern insbesondere Oberbürgermeister Egon Vaupel, den Stadtverordnetenvorsteher Heinrich Löwer, den künftigen Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies und Universitätspräsidentin Prof. Dr. Katharina Krause.
Die Bedeutung des interreligiösen Dialogs für den Frieden in der Stadt hoben alle Redner während der Festveranstaltung hervor. So erklärte Oberbürgermeister Vaupel in seinem Grußwort: "Die Unterstützung für die Marburger Moschee kommt aus der Mitte der Gesellschaft; ihre Vielfalt und Offenheit sind die Grundlage für den Erfolg, den wir in der Stadt haben."
Diskussionen zwischen den Vertretern verschiedener Kulturen und Religionen dürften durchaus kontrovers verlaufen, erklärte Vaupel. "Man muss nicht immer einer Meinung sein, aber man muss sich kennenlernen und Ängste abbauen." In Marburg funktioniere das hervorragend zum Wohle der Stadt.
Der Oberbürgermeister erklärte, dass der Wunsch der Islamischen Gemeinde nach einem repräsentativen Bauwerk den Dialog in der
Universitätsstadt Marburg geöffnet habe. Die schließlich gemeinsam gefundene Lösung für die künftige Moschee an ihrem Standort in der Straße Bei St. Jost sei ein Gewinn.
Die Islamische Gemeinde freue sich sehr über das gute Zusammenleben, betonte deren Vorsitzender El-Zayat. Jeder sei in der Gemeinde willkommen unabhängig davon, welcher Religion er angehöre.
Dieses Prinzip gelte bereits in der bisherigen – heute viel zu kleinen – Moschee, die sich in einem Wohnhaus am Marbacher Weg befindet. Diesem Prinzip werde die Islamische Gemeinde auch in ihrem neuen Zentrum, das als repräsentativer vierstöckiger Bau geplant ist und Ende 2016 fertig sein soll, folgen.
Die Gemeinde lege Wert auf soziales Engagement, betonte der Vorsitzende und verwies auch auf die wichtige Rolle, die die Marburger Muslime bei der Integration der Flüchtlinge übernehmen könnten und wollten. El-Zayat sagte dabei auch, dass – trotz aller Herausforderungen, die mit der derzeit großen Zahl von Flüchtlingen in Deutschland verbunden seien – nicht nur Probleme gesehen werden sollten, sondern auch das damit verbundene positive Potenzial für die gesellschaftliche Entwicklung.
Als Gäste fänden übrigens nicht nur syrische Muslime, sondern auch viele syrische Christen den Weg zur Islamischen Gemeinde, berichtete El-Zayat. Einer dieser Gäste sorgte während des Richtfests auf dem traditionellen syrischen Instrument "Kanun" für musikalische Unterhaltung: Youssef Nassiv spielte eine Art Zither.
Zuvor hatte bereits der ebenfalls aus Syrien kommende muslimische Iman Sheikh Yassin einige Verse aus dem Koran vorgetragen. "Wir fühlen uns hier wirklich zuhause", sagte schließlich Dr. Hamdi Elfarra, der für die Islamische Gemeinde durch das Programm des Richtfests führte.
"Wir bauen hier eine deutsche Moschee, in der deutsch gepredigt wird", erläuterte er den Gästen. Die Mitglieder der Islamischen Gemeinde in Marburg stammten aus mehr als 40 Nationen. "Und Deutsch ist das, was uns verbindet", erklärte er.
Auch Marburgs Ehrenbürger und ehemaliger Oberbürgermeister Dietrich Möller gehörte zu den Besuchern. Zahlreiche Gäste sprachen während der Festveranstaltung Grußworte. Zu den Gratulanten gehörten Amnon Orbach von der Jüdischen Gemeinde Marburgg, für die Katholische Kirche Dechant Franz Langstein und für die Evangelische Kirche Dekan Burkhard zur Nieden.
Zur Nieden bezeichnete die Marburger Moschee als positives Beispiel für Religionsfreiheit. Langstein betonte, dass Menschen auch eine religiöse Heimat brauchten; dem trage der Neubau Rechnung.
Orbach schließlich lobte das Ziel, Menschen dem Islam näherzubringen. "Ich werde einer der ersten Schüler sein", versprach er.
Generalsekretärin Nurhan Soykan vom Zentralrat der Muslime in Deutschland erklärte, dass die Marburger Moschee eine von etwa 2.300 Moscheen unter dem Dach ihres Verbandes sei "und damit ein Bollwerk gegen Radikalisierung". Sie wünsche sich, dass die wahren Werte des Islam in der Marburger Moschee gelehrt werden: Friede, Freiheit und Toleranz auch anderen Religionen gegenüber.
Verschiedene Redner verwiesen während des Richtfests darauf, dass das neue islamische Kultur- und Bildungszentrum mit Moschee eine Bereicherung für alle Marburger Bürger werden soll. Für diese Offenheit und das Miteinander steht bereits der gemeinsame Weg, den Muslime und Nichtmuslime bei der Planung des Gebäudes in den vergangenen Jahren gegangen sind.
So hatte Oberbürgermeister Vaupel 2007 den Runden Tisch Integration initiiert. Vertreter der Parteien, Religionsgemeinschaften und sonstiger interessierter Vereine wirkten mit. Auch die Islamische Gemeinde brachte sich ein und entwickelte gemeinsam mit den Partnern die Pläne für ihr künftiges Kultur- und Bildungszentrum mit Moschee weiter.
2009 stand dann das Konzept für den Neubau. 2013 legte die Islamische Gemeinde den Grundstein und freut sich nun über den fertigen Rohbau, der bereits die künftigen Nutzungsmöglichkeiten des Gebäudes erkennen lässt. So entsteht im Erdgeschoss ein circa 200 Quadratmeter großer Gebetsraum als die eigentliche Moschee.
Etwa 200 Betende finden dort Platz. Sollten sich an Feiertagen mehr als 200 Muslime zum Gebet versammeln, kann ein Teil der Gläubigen auf eine höher liegende Empore ausweichen. Dort ist Raum für weitere 150 Menschen.
Neben der Moschee wird es im neuen Kulturzentrum zahlreiche weitere Räume geben. So sind ein Konzert- und Vortragssaal, eine öffentliche Cafeteria und eine Bibliothek geplant. Im obersten Stockwerk entstehen elf Studentenappartements.
Ausreichend große Sanitärräume für die rituelle Waschung, zu der die Muslime vor dem Gebet verpflichtet sind, werden im Keller gebaut. Dort entsteht auch eine Profiküche, die die Muslime insbesondere für die gemeinsamen Fastenbrechen-Mahlzeiten im Ramadan benötigen werden.
Auf einige Elemente, die in der islamischen Welt typisch für Moschee-Bauten sind, verzichtet die Islamische Gemeinde Marburg aus Rücksicht auf die nichtmuslimische Bevölkerung. So hat das Gebäude kein Kuppeldach und es gibt keinen Gebetsruf. Das Minarett schließlich wird durch einen das Haus nur wenige Meter überragenden Turm lediglich angedeutet.
Die Finanzierung des Projekts, das mit rund 2,5 Millionen Euro veranschlagt ist, erfolgt ausschließlich aus Spenden. Sie werden auch mit Unterstützung eines Fördervereins unter Leitung von Prof. Albrecht Fuess vom Centrum für Nah- und Mitteloststudien (CNMS) der
Philipps-Universität generiert. Im Anschluss an das Richtfest hatten die Besucher die Möglichkeit, bei einem Empfang mit orientalischem Büffet mit Verantwortlichen der Stadtgemeinde sowie den Vertreterinnen und Vertretern der Islamischen Gemeinde Marburg ins Gespräch zu kommen.
pm: Stadt Marburg
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