29.07.2015 (fjh)
Als deren Sprachrohr werden künftig Shaima Ghafury und Karl Otto Beckmann die Interessen der Flüchtlinge im Zelt-Camp in Cappel unterstützen. Oberbürgermeister Egon Vaupel stellte die unabhängigen Ombudsleute am Mittwoch (22. Juli) in der Camp-Anlaufstelle vor.
Beide besuchten direkt im Anschluss das benachbarte Camp, um Kontakt aufzunehmen. "Das war wirklich ausgesprochen gut", schilderte Beckmann seinen ersten Eindruck. "Die Leute sind sehr offen für uns."
Die Ombudspersonen stehen dort künftig regelmäßig als Ansprechpartner zur Verfügung. "Wir haben vereinbart, dass ich ab sofort erst einmal täglich vor dem Abendessen für eine Stunde da sein werde", berichtete der Ombudsmann. Zu diesem Zeitpunkt stehen ausreichend Dolmetscher zwecks Verständigung zur Verfügung.
Ombudsfrau Ghafury will zunächst die Situation kennenlernen und dann entscheiden, welcher Takt für ihre Besuche sinnvoll ist. Bereits in der Camp-Anlaufstelle wurde sie jedoch von Menschen umringt, die sich freuten, die gleiche Sprache zu sprechen, denn Ghafury kommt ursprünglich aus Afghanistan. "Es geht nicht nur darum, Tränen zu trocknen, sondern die Belange der Menschen so zu übersetzen, dass man die besten Möglichkeiten für eine Entwicklung hier schaffen kann."
Das Stadtparlament hatte in seiner Juli-Sitzung einstimmig beschlossen, eine Frau und einen Mann als Ombudspersonen einzusetzen. Oberbürgermeister Egon Vaupel setzte mit Unterstützung von Regierungspräsident Dr. Lars Witteck die Berufung nun kurzfristig um. "Wir hätten es nicht besser treffen können", bedankte sich Marburgs Stadtoberhaupt bei den beiden berufstätigen Ombudsleuten für ihre spontane Einsatzbereitschaft.
Ghafury kam 1992 nach Deutschland. Die 57-jährige Sozial- und Schuldnerberaterin bei der Bürgerinitiative für Soziale Fragen (BSF) am Richtsberg hat in Marburg seit 1994 vielfältige ehrenamtliche Initiativen für den interkulturellen Dialog und für die Mädchen- und Frauenarbeit in ihrem Heimatland ins Leben gerufen. So gründete sie 2007 unter anderem den "Afghanischen Kulturverein", brachte das Frauenschwimmen in Marburg mit auf den Weg und gehört schon seit Beginn dem Kuratorium des Marburger Bündnisses für Familien an.
Auch der 64-jährige Rechtsanwalt Beckmann aus Cappel ist seit den 80er Jahren ununterbrochen ehrenamtlich aktiv und derzeit Ortsbeiratsmitglied im Stadtteil, in dem das Zelt-Camp als Außenstelle der Erstaufnahme des Regierungspräsidiums bis im Oktober steht. Als Jurist übernimmt er seit 35 Jahren die Betreuung von Menschen und ist mit schwierigen Lebenslagen vertraut. „Ich sehe es als selbstverständlich an, den Flüchtlingen wirklich ganz konkret zu helfen und gemeinsam Lösungen zu finden“, so Beckmann. Die Anlaufstelle der Stadt mit Sprachangeboten, Alltagstraining und Kinderbetreuung in der Nachbarschaft bietet gute Voraussetzungen für diese Arbeit, betonen beide Ombudsleute.
Ghafury kenne mit ihrem Migrationshintergrund die Erfahrungen der Flüchtlinge ganz genau. Beckmann sei darin erfahren, "konsensorientiert zu arbeiten", hob Vaupel die gute Kombination hervor.
Der Oberbürgermeister nutzte die Gelegenheit zugleich für eine deutliche Kritik an der aktuellen politischen Diskussion. "Ich beobachte mit Sorge, wie in der BRD in den letzten Tagen diskutiert wird, wenn es um Zuflucht geht", erklärte Vaupel. "Wer so diskutiert, kann in der Bevölkerung kein Verständnis für die Situation der Flüchtlinge entwickeln", warnte er.
"Das machen wir hier bewusst anders: Wir setzen Marburger Standards", erklärte Vaupel, um die Bedingungen für Willkommenskultur und Integration zu schaffen. "Das ist nicht einfach, aber wir haben dafür in den vergangenen Wochen gute Voraussetzungen geschaffen und wir sind dabei ein lernendes System."
Er freue sich, wenn in der städtischen Camp-Anlaufstelle die Kinder spielten und die Sprachkurse ausgebucht seien. "Die Leute wollen lernen", stellte der Oberbürgermeister fest.
Weiterhin machte Vaupel deutlich: "Die Ombudspersonen arbeiten eigenständig; aber sie haben unsere volle Rückendeckung."
pm: Stadt Marburg
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